Künstliche Intelligenz

Robotic Process Automation (RPA) – Welche Prozesse lassen sich mit Software-Robotern automatisieren? Und was sollten Unternehmen dabei beachten?

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Was ist Robotic Process Automation?

Das Nutzenversprechen von RPA ist einfach und verführerisch: Eine ermüdungsfreie Armee von Software-Robotern arbeitet Tag und Nacht den Berg arbeitsintensiver Dateneingaben fehlerfrei und kostengünstig ab. Und das ohne monatelange IT-Entwicklung für die Integration verschiedener Anwendungssysteme. RPA bezeichnet Software-Roboter (Bots), die repetitive, regelbasierte Aufgaben in einem Geschäftsprozess automatisieren. Bots imitieren die Handlungen der Menschen, die in einem Geschäftsprozess mit IT-Systemen wie etwa ERP- oder CRM-Systemen arbeiten. Dafür nutzen sie die gleichen Benutzeroberflächen wie menschliche Anwender. Aber RPA ist kein Excel-Macro: Der Software-Roboter ist nicht auf eine Anwendung beschränkt, sondern lässt sich für mehrere IT-Systeme gleichzeitig einsetzen, ohne dass entwicklungsintensive Schnittstellen aufgebaut werden.

RPA automatisiert vor allem manuelle und sich wiederholende Tätigkeiten von Menschen an IT-Systemen. Diese Automatisierung zielt weniger auf einen gesamten Prozesses, sondern vielmehr auf einzelne Aufgaben bzw. Schritte eines Prozesses. Ein Beispiel: Im Vertrieb geht eine E-Mail von einem Kunden mit einem bestimmten Betreff ein. Im ersten Schritt werden die E-Mail und der Datei-Anhang geöffnet, die Datei wird unter Beachtung einer vorgegebenen Nomenklatur umbenannt und auf einem zentralen Sharepoint abgelegt. Im zweiten Schritt sind aus dieser Datei Informationen wie etwa die Bestellnummer zu kopieren. Um diese in das CRM-System zu übertragen, muss der Mitarbeiter dieses aufrufen, sich anmelden, die Informationen in einem bestimmten Feld einfügen und speichern. Und dies mehrfach am Tag …

Welche Einsatzszenarien gibt es?

RPA eignet sich für regelbasierte, routinemäßige und vorhersehbare Arbeitsabläufe. Diese basieren auf strukturierten, digitalen Daten und standardisierten, stabilen Prozessen. Die RPA-Software interpretiert Daten, trifft regelbasierte Entscheidungen und kommuniziert mit anderen IT-Systemen. Typische Beispiele sind das Einloggen in IT-Systeme und das Aufrufen erforderlicher Masken, das Ausschneiden und Einfügen von Informationen von einem IT-System in ein anderes, das Öffnen von einer E-Mail und Anhängen, das Extrahieren von Inhalten aus Dokumenten oder das Durchführen von Berechnungen und Workflows. Dies sind alltägliche, einfache und oft langweilige Aufgaben. Und das ist der springende Punkt: Indem RPA als „digitaler Assistent im Hintergrund“ den Mitarbeitern sich wiederholende Routineaufgaben abnimmt, können diese sich hochwertigeren Tätigkeiten widmen.

Anwendungsbeispiele im Einkauf sind das Anlegen von Lieferantenprofilen, das Aktualisieren von Stammdaten sowie das Erstellen von Kennzahlen und Berichten. Im Rechnungswesen lässt sich RPA für die Rechnungsprüfung und -buchung oder das Übermitteln von Daten an Dritte einsetzen. Im Personalwesen lassen sich Teile der Lohn- und Gehaltsabrechnung oder des Zeitmanagements automatisieren oder der Internetauftritt mittels RPA pflegen.

Als RPA-Grundformen lassen sich Attended RPA, Unattended RPA und Intelligent Process Automation unterscheiden. Bei Attended RPA unterstützt der Bot eine Person lokal bei bestimmten Aufgaben. Beispielsweise ruft der Bot für einen Call-Center-Mitarbeiter automatisiert Informationen auf, während dieser mit einem Kunden telefoniert. Unattended RPA automatisiert eine Aufgabe ohne Interaktion mit Menschen: Bestimmte Ereignisse initiieren Handlungen des Bots, etwa wenn ein Kunde eine Rechnung per E-Mail sendet. Intelligent Process Automation (IPA, auch: kognitive RPA) nutzt künstliche Intelligenz (KI) zum Lernen und Entscheiden, beispielsweise für die Interpretation von Inhalten eingehender Dokumente wie etwa Rechnungen.

Welchen Nutzen stiftet RPA?

Je nach Anwendungsfall stiftet RPA Nutzen im Hinblick auf Kosten, Prozessdurchlaufzeit und Qualität. In zahlreichen Praxisfällen wurden Effizienzsteigerungen und ein positiver Return on Investment (RoI) nachgewiesen. Im Hinblick auf Personalkosten handelt es sich vor allem um Verbesserungen in kleinen Schritten: Viele Unternehmen sind mit komplexen, historisch gewachsenen IT-Landschaften konfrontiert. Dadurch müssen Mitarbeiter in ihrer täglichen Arbeit oft verschiedene IT-Systeme nutzen und aufgrund von Medienbrüchen Daten von einem zum nächsten IT-System übertragen. Ein Mitarbeiter spart vielleicht täglich nur 20 Sekunden durch Entfall von „Cut-and-Paste“-Aktivitäten für den Transfer von Daten ein. Allerdings lassen sich relevante Kosteneinsparungen bei einer Skalierung über alle Mitarbeiter hinweg erzielen. RPA bietet weitere Potenziale zur Optimierung der Personalkosten: In einer Wachstumsphase des Unternehmens lassen sich Neueinstellungen durch den alternativen Einsatz von RPA vermeiden. In Zeiten der Stagnation können ggf. Entlassungen vermieden werden. Die Prozessdurchlaufzeit lässt sich durch RPA deutlich senken. Die Software-Roboter arbeiten schneller als Menschen – und dies ermüdungsfrei rund um die Uhr an sieben Tagen der Woche. Zeitaufwände für Korrekturen und Nacharbeiten entfallen. RPA hat das Potenzial, die Datenqualität eines Prozesses signifikant zu verbessern: Es gibt keine Tippfehler und andere menschliche Fehlerquellen. Für Folgeprozesse, Analysen und KI-Lösungen steht eine valide, umfangreiche Datenbasis zur Verfügung. Der Kundenservice profitiert von schnellen und präzisen Antworten.

Mitarbeiter sind die wertvollste und zunehmend knappe Ressource eines Unternehmens. RPA entlastet sie von monotonen, ermüdenden und identitätsarmen Routinetätigkeiten. Zum einen steigt dadurch die Mitarbeiterzufriedenheit. Zum anderen schafft dies Zeit und Energie für komplexe innovative und kundenorientierte Tätigkeiten, die menschliche Kreativität und Planung erfordern.

RPA verbessert durch den Entfall menschlicher Fehler und Interpretationsspielräume signifikant die Compliance, d. h. die Einhaltung von Richtlinien und Gesetzen. Bots folgen durchgehend den Standards und Regeln, die hinterlegt wurden. Im Vergleich zu beispielsweise ERP- oder CRM-Systemen lassen sich RPA-Lösungen leicht implementieren, da die Software „on top“ auf bestehende Systeme aufsetzt und keine komplexe Programmierung erforderlich ist. RPA fördert die digitale Transformation ohne kostenintensives Ersetzen der Altsysteme. Was RPA allerdings nicht kann: Die gesamte Organisation digitalisieren oder unternehmensweit dysfunktionale Prozesse reparieren.

Welchen Grenzen und Risiken gehen mit RPA einher?

Eine zentrale Vorbereitung einer RPA-Einführung ist das vorherige  Optimieren und Stabilisieren des Prozesses: Wird ein schlechter Prozess im Status Quo automatisiert, so erhält man einen schlechten automatisierten Prozess. Dies kann insbesondere vor dem Hintergrund des aktuellen Marketing-Hype und daraus resultierenden überzogenen Erwartungen an RPA zu Enttäuschungen führen.

In Bezug auf die Kosten sind die sog. „Costs of Ownership“ nicht zu unterschätzen. Neben Abonnementmodellen und Lizenzbindungen über mehrere Jahre sind die Kosten für Training und Wartung zu kalkulieren, insbesondere bei komplexen Aufgaben mit vielen „Wenn-Dann“-Entscheidungsverzweigungen. Zudem fallen vielfach externe Beratungskosten für die Implementierung an. Mit einer neuen Software-Lösung gehen Risiken in Bezug auf Datenschutz und -sicherheit einher. Vor dem Hintergrund dieser Aspekte sollte eine RPA-Lösung nur dann in Erwägung gezogen werden, wenn sich die Arbeitsschritte im originären IT-System nicht mit vertretbarem Aufwand automatisieren lassen.

Was ist bei der Implementierung zu beachten?

Als Pilot sollte ein einfacher Prozessschritt automatisiert werden, der beispielsweise Daten aus einem Excel-Sheet ausliest und in ein IT-System überträgt. Dabei lassen sich die Lösungen konkurrierender Software-Anbieter mit praktischen Aufgabenstellungen testen und Erfahrungen sammeln. Wenn der RPA-Anbieter die Infrastruktur und Roboter im Rahmen des Piloten verantwortet, muss die Infrastruktur in der eigenen Organisation nicht vor der Investitionsentscheidung aufgebaut werden. Wird die Erprobung außerhalb des Netzwerks des Unternehmens mit Mock-up-Daten durchgeführt, so lassen sich Sicherheitsrisiken im Hinblick auf die zu verarbeitenden Daten vermeiden.

Was lässt sich als Fazit ziehen?

RPA bietet große Potenziale im Hinblick auf höhere Effizienz, strikte Compliance, verbesserten Kundenservice und höhere Datenqualität. Allerdings imitiert RPA nur manuelle digitale Tätigkeiten von Menschen. Sobald für eine Lösung eines Problems kreativ gedacht und gehandelt werden muss, hilft selbst „Intelligent Process Automation“ mit einfacher KI nur bedingt. Hier werden Machine Learning und Language Processing die RPA-Lösungen zukünftig immer stärker sinnvoll ergänzen.

RPA unterscheidet sich von anderen Technologien zur Prozessautomatisierung durch die flexible Einsetzbarkeit und die einfache Implementierung. So können Unternehmen diejenigen Aufgaben automatisieren und IT-Systeme integrieren, bei denen alternative Ansätze zu komplex, zu kosten- oder zeitintensiv sind. Vielfach hat sich bei Prozessautomatisierungen eine Kombination aus menschlichen Mitarbeitern und Software-Robotern als vorteilhaft herausgestellt: Jede Ressource wird für die Aufgaben eingesetzt, die sie am besten bewältigen kann.

Quellen

  • Koch, C.; Fedtke, St. (2020): Robotic Process Automation: Ein Leitfaden für Führungskräfte zur erfolgreichen Einführung und Betrieb von Software-Robots im Unternehmen, Berlin 2020.
  • Taulli, T. (2020): The Robotic Process Automation Handbook, Monrovia (CA) 2020.
  • Wibbenmeyer, K. (2018): The Simple Implementation Guide to Robotic Process Automation (RPA), Bloomington (IN) 2018.

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