3D-Druck

Digitale Geschäftsmodell-Innovation mit 3D-Druck

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3D-Druck ist ein Überbegriff für additive Fertigungsverfahren, bei denen dreidimensionale Objekte aus einem oder mehreren Materialien schichtweise mittels physikalischer oder chemischer Schmelz- oder Härtungsverfahren aufgebaut werden. 3D-Druck bezeichnet zwar eine Gruppe von Fertigungsverfahren, ist aber an sich noch kein Geschäftsmodell.

Unternehmen und Wissenschaft widmen sich auf breiter Basis den Produkt- und Prozessinnovationen, die der 3D-Druck ermöglicht. Geschäftsmodell-Innovationen hingegen wird bislang wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Die Fähigkeit innovative Geschäftsmodelle zu entwickeln, ist jedoch eine Voraussetzung für die langfristige Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens. Die Technologie des 3D-Drucks ermöglicht sowohl die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle als auch die Weiterentwicklung bestehender Geschäftsmodelle.

Was ist ein Geschäftsmodell?

Ein Geschäftsmodell lässt sich mithilfe der in der Abbildung dargestellten vier Kernelemente beschreiben:

„Wer die Kunden sind, was verkauft wird, wie man es herstellt und wie man Ertrag realisiert“ (Gassmann et al. (2020)).

Auf Basis dieser vier Elemente lassen sich Geschäftsmodelle konkretisieren:

  1. Wer sind die Zielkunden? Für ein erfolgreiches Geschäftsmodell muss ein Kundensegment definiert werden, für das Produkte oder Dienstleistungen angeboten werden.
  2. Was bietet das Unternehmen den Kunden an? Das Nutzenversprechen (engl. Value Proposition) ist das wichtigste Element eines Geschäftsmodells. Unternehmen müssen Produkte und Dienstleistungen anbieten, die so attraktiv für den Kunden sind, dass er diese kauft bzw. in Anspruch nimmt, um seine Bedürfnisse zu befriedigen.
  3. Wie erstellt das Unternehmen die Leistung? Verschiedene Prozesse sind in der Wertschöpfungskette zu durchlaufen, um Leistungen für den Kunden zu erstellen. Beim Erstellen von Produkten oder Dienstleistungen sind sowohl die Aktivitäten der eigenen Ressourcen zu koordinieren als auch externe Partner bei der Leistungserstellung einzubinden.
  4. Wie wird Wert erzielt? Die Ertragsmechanik bestimmt, wie Wert bzw. Umsätze generiert werden. Außerdem wird die Kostenstruktur des Unternehmens betrachtet. Viele junge Unternehmen mit neuen Geschäftsmodellen sind zwar erfolgreich darin, Werte zu schaffen und Kunden zu gewinnen. Jedoch scheitern sie vielfach daran, langfristig profitabel zu wirtschaften.

 

Was ist eine Geschäftsmodell-Innovation und warum sollten sich Unternehmen mit diesem Thema beschäftigen?

Der Begriff Innovation bezeichnet die zielgerichtete Entstehung und Umsetzung neuer technischer, wirtschaftlicher, organisatorischer und sozialer Problemlösungen, die zum Erreichen von Unternehmenszielen auf eine neue Art und Weise führen. Somit bezeichnet eine Geschäftsmodell-Innovation das Hervorbringen neuer oder die Weiterentwicklung bestehender Geschäftsmodelle, um Wettbewerbsvorteile zu erlangen. Warum sollten Unternehmen sich nun mit Geschäftsmodell-Innovationen beschäftigen? In vielen Branchen ist die bloße Innovation von Produkten und Prozessen nicht mehr ausreichend, um sich nachhaltig vom Wettbewerb abzusetzen. Innovationen des Geschäftsmodells werden aus diesem Grund für den wirtschaftlichen Erfolg, das Wachstum und das Bestehen eines Unternehmens als unabdingbar erachtet.

Das Ziel einer Geschäftsmodell-Innovation ist es, das Schaffen von Kundennutzen und das Generieren von Umsatz neu zu organisieren bzw. zu optimieren. Dabei werden entweder einzelne Elemente wie etwa Vertriebskanäle oder das gesamte Geschäftsmodell verändert. Eine Geschäftsmodell-Innovation liegt vor, wenn mindestens zwei der vier Geschäftsmodellelemente Nutzenversprechen, Kundensegment, Ertragsmechanik und Wertschöpfungskette verändert werden. Dadurch lassen sich neue Kundenbedürfnisse befriedigen bzw. neue Märkte erschließen.

Welche Geschäftsmodellmuster bieten Ansatzpunkte insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen (KMU)?

Nachfolgend werden ausgewählte Muster für Geschäftsmodell-Innovationen bei KMU, bei denen der 3D-Druck bisher nicht den Kern des Geschäftsmodells darstellt, erläutert. Beispielsweise sind dies für Produzenten von Endprodukten die Muster Mass Customization, Self-Service, Ultimate Luxury und Long Tail. Für Händler, Werkstätten, Copy-Shops und Logistikdienstleister bietet das Geschäftsmodellmuster Guaranteed Availability großes Potenzial.

Mass Customization: Kundenindividuelle Fertigung kleiner Auftragsgrößen zu konkurrenzfähigen Preisen

Bei Mass Customization werden individuelle Kundenbedürfnisse erfüllt, indem Produkte personalisiert und zu Preisen einer Massenproduktion angeboten werden. Mithilfe des 3D-Drucks lassen sich individuelle Produkte wirtschaftlich in der Losgröße „1“ anbieten, da Rüst- und Werkzeugkosten bei der Fertigung entfallen. Um Kunden langfristig zu binden, sollte eine möglichst einfache Schnittstelle zwischen Kunden und Unternehmen für die Auftragsabwicklung geschaffen werden, beispielsweise in Form eines Online-Konfigurators für die auftragsindividuelle Spezifikation von Produktvarianten. Ein Beispiel: Um den Auftragsabwicklungsprozess effizient zu beschleunigen, hat das Unternehmen Schunk, ein Hersteller für Greifsysteme, gemeinsam mit dem 3D-Druck-Diensleister Materialise die Kundenschnittstelle eGrip entwickelt. Dabei handelt es sich um ein vollautomatisches, webbasiertes 3D-Designtool für additiv hergestellte Roboter-Greiferfinger. Über dieses Designtool können die Kunden im Self-Service ihre gewünschten Produkte online selbst konstruieren und bestellen.

Ultimate Luxury: Ausbau der Qualitätsführerschaft

Durch die Einführung des 3D-Drucks können KMU solche Güter herstellen, die aufgrund der messbaren technischen Qualität (Gewicht, Strömungsoptimierung, Haltbarkeit etc.) oder der emotionalen Qualität (Ästhetik durch Freiheitsgrade im Design, neue Geometrien etc.) einem bestimmten Kundensegment hochpreisig angeboten werden. Auf diesem Wege lässt sich das Geschäftsmodellmuster „Ultimate Luxury“ realisieren. Dies bietet zum Beispiel Potenziale zur Geschäftsmodellentwicklung für Zulieferer in der Automobil- und Luftfahrtindustrie, in denen viel Wert auf hohe Qualität gelegt wird. Schon heute werden über 1.000 3D-gedruckte Teile im Airbus A350 verbaut. Der Brillenhersteller MYKITA aus Berlin setzt bei seiner 3D-Druck-Kollektion auf technische Qualität im B2C-Kontext. Die Brillen sind individuell anpassbar, sehr leicht, langlebig und haben eine besondere Pulverbeschichtung. Dass man auch mit der Ästhetik von Produkten Wettbewerbsvorteile erzeugen kann, zeigen Inneneinrichter, die mithilfe des 3D-Drucks neue Geometrien wie beispielsweise organische Formen bei Einrichtungsgegenständen erzeugen, die mit nicht-additiven Fertigungsverfahren nicht oder nur zu Kosten, denen keine Zahlungsbereitschaft des Kunden gegenübersteht, hergestellt werden könnten.

Long Tail: Das Potenzial der Nischenmärkte nutzen

Das Unternehmen Rolf Lenk Werkzeug- u. Maschinenbau GmbH ist ein Beispiel für das Geschäftsmodellmuster „Long Tail“. Mithilfe von 3D-Druckern kann der Mittelständler auch Nischenmärkte mit geringer Nachfrage bedienen. Ein solcher Markt ist beispielsweise die Ersatzteilversorgung für Oldtimer. Ein Fallbeispiel: Der Nachbau vom Deckel eines regulär nicht mehr lieferbaren Steuergehäuses für einen Cadillac Eldorado, Baujahr 1967. Viele KMU sind es gewohnt, in kleineren Losgrößen zu fertigen. Bei der Auftragsabwicklung von Sonderaufträgen ist vor allem die geringe Formalisierung der Organisation von Vorteil. Innerhalb kürzester Zeit können Projekt- und Fertigungsleiter über die technische Umsetzbarkeit sowie die Wirtschaftlichkeit eines Projektes entscheiden. Durch 3D-Druck lassen sich sowohl Entwicklungskosten als auch die Kosten für die Neueinführung von Produkten und die laufende Fertigung reduzieren. Der 3D-Druck weist ein großes Potenzial im Hinblick auf die Risikominimierung bei der Amortisation der Entwicklungskosten neuer Produkte auf: Beim 3D-Druck ist keine Anschaffung produkt- bzw. bauteilspezifischer Maschinen, Werkzeuge und Formen erforderlich. Mit einem 3D-Drucker kann der Bedarf verschiedener Nischen bedient werden, ohne dass mit der Erfüllung eines weiteren Nischenbedürfnisses zusätzliche Kosten einhergehen. Damit lässt sich eine große Produktportfoliobreite und -tiefe, eventuell kundenindividuell, wirtschaftlich anbieten. So wird die Monetarisierung über eine Vielzahl kleiner Kundensegmente hinweg gewährleistet.

Guaranteed Availability: Zeitnahe Verfügbarkeit von Gütern sicherstellen

Der 3D-Druck ermöglicht es, Produkte und Ersatzteile dezentral am Gebrauchs- oder Verbrauchsort zu drucken und stellt damit die zeitnahe Verfügbarkeit, unabhängig von Zeit und Ort, sicher. Händler, Werkstätten, Copy-Shops und Logistikdienstleister können dabei ihre Nähe zum Kunden nutzen, wenn es sich um zeitlich kritische Bedarfe ihrer Kunden handelt. Dabei ist die schnelle, bedarfsorientierte Lieferung von Ersatzteilen vor allem bei Investitionsgütern von großer Bedeutung, da Ausfallzeiten vielfach hohe Kosten verursachen. Aus diesem Grund beliefert beispielsweise der Hafen Rotterdam Schiffe mit 3D-gedruckten Ersatzteilen. Analog dazu können Servicepartner von Maschinen- und Anlagenbauern, beispielsweise Händler oder Werkstätten, vorgehen, wenn ein Ersatzteil für den Austausch bei Reparatur oder Instandhaltung gedruckt werden muss. Als Anbieter im Ersatzteilgeschäft werden sich zukünftig verstärkt Logistikdienstleister positionieren. Diese haben die Möglichkeit, den 3D-Druck der nachgefragten Objekte und deren Distribution miteinander zu verbinden. Der Transportdienstleister UPS setzt zum Beispiel an seinem Luftfahrt-Drehkreuz in Louisville (USA) bereits 100 3D-Drucker ein.

Unabhängig von zeitlich kritischen Lieferungen gibt es für Großhandels- und Handelsunternehmen einen weiteren Vorteil des dezentralen bzw. lokalen 3D-Drucks. Durch den sogenannten On-Demand-Druck (engl. für Druck bei Bedarf) entfallen Lager- und Kapitalbindungskosten für langsam drehende Produkte und solche, die sich am Ende des Lebenszyklus befinden. Dadurch kann ein großes Sortiment angeboten werden und der Handel erzielt virtuell auf Basis der digitalen 3D-Modelle, die bei Kundenbedarf gedruckt werden, eine sehr hohe Verfügbarkeit. Auch der Vertrieb von Nischenprodukten wird deutlich attraktiver. Diese können bei Bedarf ohne Rüst- oder Werkzeugkosten wirtschaftlich in kleinen Mengen gedruckt werden. Im Bereich des 2D-Drucks im Buchhandel ist ein solches Konzept bereits gelebte Praxis: Buchgroßhändler KNV druckt an seinem Lagerstandort in Erfurt „Nischen-Bücher“ auf Nachfrage in Losgröße Eins.

Vom Produzenten zum Dienstleister: Neue Wertschöpfungskonstellationen aufbauen

Die Produktion eines herstellenden Unternehmens muss nicht zwangsläufig an einen Partner ausgelagert werden, um eine garantierte Verfügbarkeit beim Kunden zu erzielen. Verfügt der Kunde über eigene 3D-Druck-Kompetenzen und -Maschinen, so kann dieser den Produktionsschritt im Rahmen eines Self-Services selbst übernehmen. Ein Beispiel dafür liefert das dänische Transportunternehmen Maersk Line. Auf seinen Containerschiffen hat Maersk 3D-Drucker installiert, um bei Bedarf Ersatzteile an Bord während der Fahrt drucken und so unerwünschte Liegezeiten im Hafen reduzieren zu können.

Der Druck am Point-of-Service hat gravierende Folgen für den Geschäfts- bzw. Serviceprozess bei den Unternehmen, deren Maschinen oder Anlagen auf dem Schiff verbaut wurden. Der konventionelle Prozess: Der Ingenieur meldet eine Maschinenstörung beim Hersteller. Der Kundendienst des Herstellers kommt im nächsten Hafen an Bord, identifiziert das defekte Bauteil, bestellt das Ersatzteil (wenn es nicht vorrätig ist) und baut es nach der Lieferung ein. Der neue Prozess unter Einbeziehung des 3D-Drucks ist digital und schnell: Die Maschine meldet über Sensoren digital einen Fehler an den Hersteller. Der Hersteller kontaktiert die Verantwortlichen an Bord des Schiffes und übermittelt digital die Datei für den Druck des Ersatzteils. Ein Ingenieur druckt an Bord das Ersatzteil, ohne die Fahrt in einem Hafen zu unterbrechen, und baut es ein, eventuell mithilfe eines Teleservices des Herstellers. Für den Maschinen- bzw. Anlagenbauer bedeutet dieser neue Prozess einen Wandel von physischer zu digitaler Wertschöpfung, vom Hersteller zum Dienstleister. Für den Kunden bedeutet es eine wirtschaftlich attraktive Minimierung der Ausfallzeit.

3D-Druck kann vieles, es muss lediglich das passende Geschäftsmodell gefunden werden.

Das für die Herstellung eingesetzte Fertigungsverfahren ist im Rahmen einer Geschäftsmodell-Innovation eventuell nur von untergeordneter Bedeutung, sofern die Technologie die Kosten- und Qualitätsanforderungen erfüllt. Insofern ist der 3D-Druck lediglich eine von mehreren möglichen Antworten auf die Frage, wie das Unternehmen seine Leistung erstellt. Jedoch hat die besondere Art der Leistungserstellung beim 3D-Druck großen Einfluss auf den Kern eines Geschäftsmodells: Das Nutzenversprechen. Zum einen ermöglicht 3D-Druck die Fertigung innovativer Produkte, die besonders hohe Kundenbedürfnisse erfüllen (Ultimate Luxury). Zum anderen ermöglicht es die Individualisierung von Produkten (Mass Customization), die Fertigung von Nischenprodukten (Long Tail) sowie die On-Demand-Verfügbarkeit zeitkritischer Güter (Guaranteed Availability). Um diese Nutzenversprechen zu erfüllen, müssen KMU mit verschiedenen Partnern zusammenarbeiten, da auf jeder Wertschöpfungsstufe verschiedene Spezialisten agieren. Der Mehrwert für den Endkunden entsteht durch die Zusammenarbeit der Wertschöpfungspartner im sogenannten Geschäftsökosystem des 3D-Drucks.

Quellen:

Feldmann, Schulz,  Fernströning (2019): „Digitale Geschäftsmodell-Innovationen mit 3D-Druck: Erfolgreich entwickeln und umsetzen.“
Feldmann, Gorj (2017): „3D-Druck und Lean Production – Schlanke Produktionssysteme mit additiver Fertigung“ 
Gassmann, Frankenberger, Choudury (2020): „Geschäftsmodelle entwickeln: 55+ innovative Konzepte mit dem St. Galler Business Model“

Bildnachweise

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Photo3 by Kinsey on Unsplash


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