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Hürden bei der Einführung von Prozessautomatisierung überwinden

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Prozessautomatisierung ist aktuell ein großer Trend, bei dem wiederkehrende, routinemäßige Tätigkeiten nicht länger von Fachkräften, sondern von sogenannten Bots übernommen werden. Das spart nicht nur Zeit und lässt mehr Platz für anspruchsvollere Aufgaben, sondern vermindert auch Fehler in der Durchführung von Prozessen. Die Praxiserfahrung zeigt, dass Du bei der Einführung einige Hürden überwinden musst. Diese können menschlichen, organisatorischen oder technischen Ursprungs sein.

Willst Du die Herausforderungen meistern und erfolgreich eine Prozessautomatisierung einführen? Dieser Leitfaden gibt Dir einen Überblick wie Du die Herausforderungen überwinden kannst und was Du dafür tun musst.

1.

Die drei Komponenten der Prozessautomatisierung

1.
Bei Automatisierungsinitiativen sollten die Dimensionen gleiche Bedeutung haben. Es ist von großer Bedeutung, dass Dein Team, die Entwickler:innen und andere Stakeholder an einem Strang ziehen. Dabei müssen die menschliche, organisatorische, aber auch technische Komponente zusammenspielen.

2.

Menschliche Komponente

2.
Die menschliche Komponente ist die wahrscheinlich wichtigste von allen drei Dimensionen. Dabei sollte die Unternehmensführung die Verantwortung dafür übernehmen, einen Rahmen zu setzen, in dem die Automatisierung erfolgreich sein kann.

2.1

Überzeuge die Mitarbeitenden

 
Mitarbeitende fühlen sich übergangen oder ausgeschlossen und sind von der neuen Technologie überfordert. Welche Maßnahmen kannst Du vor dem Start des Projektes initiieren?
    1. Vorgesetzte sollten aktiv auf die Minderung von Vorbehalten hinarbeiten, um eventuellen Ängsten der Mitarbeitenden, wie den Abbau der eigenen Arbeitsstelle auf Grund der Automatisierung, entgegenzuwirken.
    2. Es ist eine zwingende Voraussetzung für die Akzeptanz der Automatisierungsprojekte, dass die Kommunikation über die ersten Automatisierungsvorhaben unternehmensintern geschieht. Dabei ist nicht nur der eigentliche Inhalt (also die Automatisierung selbst) wichtig, sondern auch die strategische Zielsetzung, zu der die Automatisierung beitragen soll. Die Unternehmensführung soll das Zielbild vorgeben und die notwendige Veränderung der Arbeitsweise kommunizieren. Auf Arbeitsebene haben sich sogenannte Botschafter:innen der Technologie bewährt. Diese Mitarbeitende haben vorab eine ausführliche Schulung erhalten und können dieses Wissen sowie die zukünftigen Vorteile in das Unternehmen tragen.
    3. Im schlimmsten Fall kann es dazu kommen, dass Mitarbeitende sich bewusst gegen den Erfolg des Projektes stellen oder sogar versuchen das Projekt zu sabotieren. Aus diesem Grund empfiehlt es sich, mit den Mitarbeitenden frühzeitig individuelle Rollen- und Weiterbildungsprofile zu entwickeln. Damit werden die Mitarbeitenden befähigt, neue Aufgaben unter Anwendung neuer Technologien zu übernehmen, während die automatisierbaren Tätigkeiten wegfallen.

2.2

Stelle die Nutzung sicher

 
Nach der Übergabe wird die Automatisierung manchmal nicht oder nur ungern genutzt. Was kannst Du tun, um die Nutzung der Automatisierung sicherzustellen?
    1. Ausführliche Mitarbeiterschulung in der Anwendung der Automatisierung. Das bedeutet wiederholtes Begleiten, aber auch eigenständiges Durchführen des Prozesses.
    2. Das Verständnis verstärken, was die Automatisierung im Hintergrund wirklich macht. Somit baut sich der Gedanke ab, die Kontrolle über den Prozess zu verlieren.
    3. Fehlerprozesse durchspielen. Vorher dokumentieren, welche Fehler auftauchen könnten und wie Du mit diesen umgehen solltest. Im besten Fall wird ein:e Ansprechpartner:in hinterlegt.

3.

Organisatorische Komponente

3.
Die organisatorische Komponente bezieht sich vor allem auf die Personen, die Einfluss auf das Projekt haben. Das heißt konkret: Prozessbeteiligte und Prozessverantwortliche (Process Owner). Der Rang der Mitarbeitenden ist dabei unerheblich. Zum Einflussbereich gehören weiterhin auch die Entscheider:innen und Geldgeber:innen des Projektes.

3.1

Kläre Verantwortlichkeiten ab

 
Verantwortlichkeiten für die aufkommenden Aufgaben sind nicht eindeutig geklärt und führen zu Missverständnissen/Engpässen. Was kannst Du tun, um diese Situation zu vermeiden?
    1. Eine Aufgabenverteilung zwischen den Abteilungen mit definierten Abgrenzungen ist von großer Bedeutung. Es hilft Missverständnisse zu vermeiden. Diese Abgrenzungen sollten von Anfang an geklärt werden, damit du einen soliden Grundbaustein für das gesamte Automatisierungsprojekt erschaffst. Folgende Fragen sind dabei auf jeden Fall zu beachten:

      i. Wer ist der „System Owner“?

      ii. Wer übernimmt die Entwicklung?

      iii. Wer ist für die Wartung und das Monitoring verantwortlich?

      iv. Wie sieht das Pipelinemanagement aus (Welcher Prozess soll als nächstes angegangen werden?), wer liefert neue Prozesse und wer entscheidet über die Prioritäten?

      v. Wie sieht das Operating Model für Automatisierungsprojekte aus?

    2. Häufig wird ein Großteil der Tätigkeiten in den ersten Automatisierungsprojekten von externen Dienstleistern erbracht. Um die Nutzung zu fördern und Skalierung zu ermöglichen, ist es wichtig, dass deine Mitarbeitenden von Anfang an integriert werden.

3.2

Erwarte keine Wunder

 
Umfangreicher Scope und straffe Budgetierung des ersten Automatisierungsvorhabens resultiert in Zeit- und Budgetüberschreitung und demotiviert die Projektteilnehmer. Wie setzt Du die Erwartungen richtig?
    1. Don’t believe the hype. Das bedeutet, dass die Umsetzung von Automatisierungen nicht so einfach ist, wie das Marketing vorzugeben scheint. Gerade bei den ersten Automatisierungsprozessen sollten Verantwortliche darauf achten, keine Wunderlösung zu erwarten. Ein gesundes Erwartungsmanagement unterstützt eine hohe Motivation für weitere Projekte. Die großen Skaleneffekte liegen nicht in der ersten Automatisierung, sondern stellen sich über Unternehmensweite Nutzung von Automatisierungsmöglichkeiten ein. Bei der ersten Automatisierung muss sich das Team erst einmal auf das neue System einstellen und jede:r Einzelne seine Rolle im Projekt finden.
    2. Puffer einplanen. Wie beim Hausbau solltest du großzügig sein, was Zeitplanung und Budget des ersten Projektes anbelangt. Du solltest dem Team die Zeit geben sich gleich am Anfang richtig zu positionieren und zu koordinieren. Das macht die Umsetzung weiterer Prozessautomatisierungen effizienter.
    3. Agile Arbeitsumgebung: Die angepasste Erwartungshaltung und Budget mit genug Puffer bedeuten nicht, dass es ein entspannter Weg werden wird. Die Herangehensweise sollte hier angepasst werden und ein agiles Projektmanagement aufgesetzt werden. So kannst Du die Probleme, wie sich erweiternde Anforderungen an den Prozess selber und an seine Stabilität, zwischen den einzelnen Sprints schneller erkennen, diese frühzeitig lösen und die Ziele nachjustieren.

4.

Technische Komponente

4.
Die technische Komponente bezieht sich auf das IT-Betriebsmodell (eigene oder fremde Infrastruktur), sowie technische Rollen- und Rechtekonzepte. Damit soll der reibungslose Betrieb und die Erfüllung alle Compliance-Anforderungen sichergestellt werden.

4.1

Richte die relevanten Systeme und Softwarelösungen ein

 
Zu späte Einbindung der IT führt zu Verzögerung bei der Einrichtung der Infrastruktur und der Software. Was kannst Du tun, damit dieses Thema Dein Projekt nicht verzögert?
    1. Die IT solltest du von Anfang an in das Projekt mit einbeziehen. Das kann bereits bei der Anbieterauswahl geschehen, bei der die IT mit ihrem Fachwissen unterstützend zur Seite stehen kann.
    2. Systemanforderungen richtig zu definieren, klingt simpel, ist es aber in der Praxis meist nicht. Es ist wichtig, dass sich vor Beginn des Projektes alle einig über die konkreten Anforderungen sind.
    3. Transparente Zeitplanung des Projektes mit der IT teilen. Enge Zusammenarbeit erzeugt Verständnis für die einzelnen Komponenten und Ziele, die zu den entscheidenden Zeitpunkten erreicht werden müssen.
    4. Tests schon bei der Einrichtung einplanen. Denn schon bevor angefangen wird zu programmieren, sollten die wichtigsten Funktionalitäten und Berechtigungen getestet werden, wie zum Beispiel: Startet die Software richtig, sind alle Zugriffe zu den Laufwerken gegeben, funktionieren die Logins in den Systemen usw.

4.2

Kläre die Nutzungsrechte ab

 
Eine Automatisierung kann ein Einfallstor für Sicherheitslücken werden, wenn die Nutzerrechte zu breit gefasst sind. Was kannst Du im Vorfeld des Produktivbetriebs tun?
    1. Um die Verteilung der Rechte einfacher und skalierbarer zu gestalten, legst du Nutzergruppen an und weist diesen bestimmte Rollen mit vordefinierten Rechten zu. Mit diesem Vorgehen ist es später einfacher, neue Nutzer anzulegen.
    2. Um diesem Problem aus dem Weg zu gehen, kann die IT die Rechte der Mitarbeitenden, die den Prozess in der Vergangenheit durchgeführt haben, kopieren und am Ende der Entwicklung Stück für Stück beschränken. Dies wird so lange wiederholt, bis der Automatisierungs-User nur noch die nötigsten Rechte besitzt.

4.3

Berücksichtige Systemupdates

 
Systemupdates erzeugen neue Fehler in der Prozessautomatisierung. Was kannst Du tun, um die Robustheit Deiner Automatisierung zu steigern?
    1. Zu Beginn ist es wichtig, zu definieren welche Systeme verwendet werden. Es sollte eine laufende Abstimmung zu Systemupdates bzw. -änderungen etabliert werden, um Veränderungen im Prozess frühestmöglich zu identifizieren.
    2. Wie kritisch eine Aktualisierung ist, sollte von Deiner IT vorab bewertet werden. Diese kann einschätzen, ob und wie ein Update den automatisierten Prozess beeinflussen könnte.
    3. Im Verteilungsprozess des Updates sollten nicht nur die beteiligten Mitarbeitenden informiert werden, sondern auch die Verantwortlichen für die Instandhaltung der Automatisierung. Somit können Tests und Entwicklungsanpassungen für die betroffen Automatisierungen eingeplant werden.

Nun weißt Du, welche Hürden Dich bei der Einführung von Automatisierungslösungen erwarten. Welche Prozesse sollen in Deinem Unternehmen automatisiert werden? Wenn Du Hilfe brauchst, das Thema anzugehen, melde Dich gerne bei uns. Wie stehen Dir jederzeit mit unserem Netzwerk zu Seite.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors/der Autoren wieder und repräsentiert nicht notwendigerweise die Position der Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft.

Weiterführende Quellen und Informationen:

IBM (2021): „RPA – Robotic Process Automation – Deutschland“
Produktivität.de (2021): „Was ist RPA? Robotic Process Automation erklärt | Produktivität“
Schaffrik (2021): „Forrester Wave Robotic Process Automation Report – Q1 2021“

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