Leitfäden

Durch fahrerlose Transportsysteme die Produktionslogistik automatisieren

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Gabelstapler und elektrische Hubwagen, die automatisch von A nach B fahren. Das klingt heute nicht mehr nach ferner Zukunft. Dennoch fahren in vielen Fabriken noch immer Mitarbeitende Waren von A nach B. Das bindet Kapazitäten und stellt eine Gefahrenquelle für andere Menschen in der Fabrik dar.

Automated Guided Vehicle (AGV) oder auch fahrerlose Transport Systeme (FTS) genannt, können durch ihre vielfältige Sensorik Unfällen vorbeugen und Waren sicher von einem Ort zum anderen transportieren. Doch bislang hat sich diese Art des Transportes noch nicht flächendeckend durchgesetzt.

In diesem Leitfaden erfährst Du, wie Du FTS bei Dir im Unternehmen implementieren kannst und was Du dabei beachten musst.

1.

Entwickele eine Vision für die Fertigung

1.
Eine wegweisende Vision für die Fertigung sorgt dafür, dass Prozesse, Methoden und Layouts neu gedacht werden. Denn eine bloße Automatisierung ist nicht alles. Nur weil es digital ist, ist es nicht automatisch besser. Die Frage:

Wie soll die Produktionslogistik in 5-10 Jahren aussehen?

ist zielführender. Sie führt zwar in der Regel zur Automatisierung von Transportprozessen, stellt jedoch andere Aspekte ebenfalls in Frage:

    • Wie sollen sich die Lagerbestände entwickeln?
    • Welche Losgrößen sind für Deine Produkte optimal?
    • Ist das Layout der Fertigung effizient gestaltet?
    • Wo sind Engstellen?
    • Welchen Schwankungen unterliegt der Materialfluss?
    • Etc…

2.

Automatische Fahrzeuge sind nicht autonom

2.
Autonome Fahrzeuge sind in der Regel für die Produktionslogistik nicht notwendig. Da die Routen zwischen den Punkten meistens festgelegt sind und diese Routen relativ einfach erweitert werden können. Du solltest Deine Aufmerksamkeit bevorzugt auf folgende Punkte richten:

    • Navigation: Wie lässt sich das Fahrzeug lokalisieren und wie navigiert es durch die Fertigung?
    • Sicherheit: Wie stellen die Fahrzeuge den Personenschutz und Objektschutz (Maschinen, etc.) sicher und welche Sensoren werden dafür eingesetzt?
    • Flexibilität: Wie flexibel ist das System und kann es sich an verändernde Umgebungen anpassen?

3.

Wähle die passenden Fahrzeuge und integriere sie in die Leitsteuerung

3.
Es gibt je nach Einsatzgebiet verschiedene Fahrzeugtypen. Am gängigsten sind wohl die Gabelhub FTS oder Huckepack FTS. Mit diesen Fahrzeugen lassen sich palettierte Ware oder andere Behälter transportiert. Du solltest jedoch bei der Auswahl der FTS Fahrzeuge Deine Vision berücksichtigen.

Ist die Palette wirklich notwendig oder nur ein Mittel zum Zweck, um die Ware mit Deinen aktuell vorhandenen Transportmitteln zu bewegen?

Eins haben alle Fahrzeuge gemeinsam. Sie müssen in die Leitsteuerung eingebunden werden.

Die Leitsteuerung macht aus Eingaben in ein Interface einen Transportauftrag. Die Eingabe kann maschinell oder durch einen Menschen geschehen. Durch die interne Logik der Steuerung und die hinterlegten Prozesse wird aus der Eingabe ein Transportauftrag, der vom FTS ausgeführt wird. Kernelemente einer solchen Steuerung sind:

    • Die Transportauftragsverwaltung sorgt für die Priorisierung der eingehenden Transportaufträge.
    • Die Fahrzeugdisposition ist dafür zuständig, das geeignetste Fahrzeug zu identifizieren und den Auftrag an dieses Fahrzeug zu übermitteln. Im Rahmen der Disposition wird auch so etwas wie ein notwendiger Ladevorgang ausgelöst.
    • Die Fahrauftragsabwicklung bestimmt über den aktiven Part des Transportauftrages, wie das Aufnehmen und Ablegen von Ware oder auch die Personenerkennung. Es verhindert auch Kollisionen und Blockaden.

In der Regel werden diese Komponenten vom Lieferanten gestellt.

4.

Sorge mit Sachverstand und klaren Vorgaben für eine erfolgreiche Umsetzung

4.
Es kling altmodisch, aber ein Lastenheft hilft dabei, Dein Projekt zu strukturieren. Mit einem Lastenheft hast Du ein Dokument, mit dem Du bei der späteren Abnahme die Leistung des Auftragnehmers prüfen kannst. Auch solltest du vom Lieferanten ein Pflichtenheft einfordern, um zu sehen, wie er die Umsetzung plant.
Dazu ist Sachverstand nötig. Verlasse dich nicht allein auf die Kompetenzen des jeweiligen Dienstleisters. Baue auch selbst das Know-How auf oder hole Dir einen externen Dienstleister dazu, um die Unterlagen zu prüfen. Denn nur wenn beide Seiten das Konzept FTS verstehen, wird das Projekt zum Erfolg.

5.

Ein guter Zeitpunkt, um aufzuräumen

5.

FTS können viel – doch je mehr sie können sollen, umso teurer werden sie. Deshalb solltest Du die Gelegenheit nutzen, um Deine Fertigung zukunftsfähig zu machen. Stelle die Peripherie des FTSs auf den Prüfstand. Dazu zählen:

    • Boden, Steigungen und Wegbreite
    • Behältervielfalt sowie Schnittstellen zu Maschinen und Lager
    • Sonstiger Verkehr
Doch nicht nur physische Schnittstellen sollten geprüft werden, auch die IT-Abteilung muss passende Schnittstellen zur Leitsteuerung bereitstellen. Zum Beispiel zum:
    • PPS-System
    • Lagerverwaltungssystem
    • Materialflusssteuerung
    • Etc.
 

Die zu betrachtenden Schnittstellen sind von den vorhandenen Systemen und vom FTS Konzept abhängig.

6.

Beziehe die relevanten Beteiligten ein

6.
Was nützt die beste Automation, wenn sie nicht akzeptiert wird. Du solltest frühzeitig alle Beteiligten einbeziehen. Dazu gehören allem voran:
    • Die Arbeitssicherheit
    • Die IT-Abteilung
    • Die Produktionsmitarbeitenden

Lass die Mitarbeitenden ihre Ideen, Anmerkungen und Bedenken vorbringen. Integriere Sie in die Konzeptentwicklung und zeige Ihnen die Mehrwerte auf z.B. mittels Design Thinking.
So stellst Du sicher, dass die Lösung von allen Beteiligten mitgetragen wird.

Mit diesem Leitfaden bist Du nun in der Lage, das Projekt fahrerlose Transportsysteme anzugehen. Solltest Du Fragen zu diesem Thema haben, stehen wir vom Digitalradar Dir mit unserem Netzwerk zur Seite.

Weiterführende Informationen:

Forum FTS: Die Europäische FTS-Community
Ullrich & Albrecht (2019): „Fahrerlose Transportsysteme“
IPH (2021): „Fahrerlose Transportsysteme (FTS) für Produktion und Logistik“
VDI 2710 Blatt 1: „Ganzheitliche Planung von Fahrerlosen Transportsystemen“

Bildenachweise:

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Autor Hendrik Plogmaker

Jahrgang 1990; geboren und aufgewachsen im Münsterland. Als Service-Techniker und Richtmeister für Strahlanlagen konnte ich Unternehmen aus aller Welt kennenlernen. Diese Erfahrung und ein Master in Wirtschaftsingenieurwesen helfen mir seit Anfang 2021 maßgeschneidert Leitfäden für KMU des verarbeitenden Gewerbe zu erstellen.


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