Leitfäden

Innovative Lösungen in einem Design Thinking Prozess entwickeln

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Um in einer sich rasant verändernden Welt bestehen zu können, dürfen Unternehmen Kundenprobleme und deren Lösungen nicht dem Zufall überlassen. Sie müssen Lösungsideen systematisch herbeiführen. Dabei helfen kreative und agile Prozess-Methoden.

Design Thinking, eine Innovationsmethode zur Lösung komplexer Probleme, ist genau dafür konzipiert. In drei Phasen, sogenannten Räumen, werden Probleme analysiert und definiert, Ideen generiert und Lösungen entwickelt. Das Vorgehen ist dynamisch und iterativ. In jeder Phase wird im ersten Schritt immer eine Vielzahl von Problemen, Ideen und Lösungen generiert, welche erst im Anschluss bewertet werden. Immer gilt: Quantität (durch divergierendes Denken) vor Qualität (durch konvergierendes Denken). Dabei ist der Design Thinking Prozess geprägt von offener Kommunikation, empathischer Beobachtung, Neugierde und Teamorientierung. So kann es gelingen, neue Lösungen hervorzubringen, die reale Nutzerbedürfnisse befriedigen und vom Team mitgetragen werden. Für Design Thinking gilt generell: Zentraler Bezugspunkt ist der Mensch bzw. der Nutzer mit seinen Bedürfnissen.

Dein Unternehmen soll zukünftig bessere Ideen zur Lösung von Problemen hervorbringen? Dieser Leitfaden zeigt Dir, wie Du Design Thinking in Deinem Unternehmen einsetzen kannst und welche Schritte notwendig sind, um Probleme nutzerorientiert zu lösen.

1.

Planung des Prozesses

1.
Ein Design Thinking Prozess bindet zeitliche und personelle Ressourcen. Daher solltest Du vor Prozessbeginn abwägen, ob die Lösung des Problems eine Relevanz für dein Unternehmen besitzt, die den Aufwand rechtfertigt. Vielleicht reicht es aus, wenn Du einzelne Bestandteile oder Methoden des Prozesses nutzt, um kleinere Probleme zu lösen.

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Ein Problem definieren

 
Definiere das Problem aus Deiner Perspektive und formuliere es als Frage. Bewerte, ob die Problemstellung für einen Design Thinking Prozess geeignet ist. Berührt sie die Bedürfnisse von Menschen? Ist das Problem komplex? Hast Du hierzu bisher keine überzeugende Lösung? Ist die Lösung des Problems relevant?

Beispiele für geeignete Problem- bzw. Fragestellungen:

  • Wie schaffen wir für den digitalen Transformationsprozess Akzeptanz bei der Belegschaft?
  • Wie können wir Digitalisierung nutzen, um unseren Mitarbeiter*innen die Arbeit zu erleichtern?
  • Wie können wir Digitalisierung nutzen, um neue Angebote zu generieren?

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Teams zusammenstellen

 
Stell ein oder mehrere Projektteams zusammen. Die optimale Teamgröße liegt bei 4 bis 6 Personen. Es kann sinnvoll sein, mehrere Teams parallel arbeiten zu lassen, die unterschiedliche Nutzerperspektiven einnehmen und sich gegenseitig Feedback geben. Besetz die Teams möglichst heterogen – in Hinblick auf Alter, Geschlecht, Expertise und Biografie.

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Mache einen Zeitplan

 
Mache einen Zeitplan, in welchem Du die Meilensteine festlegst:
  • Projektstart > Problemraum-Eigenperspektive
  • Start: Problemraum-Fremdperspektive
  • Zielfrage
  • Start Ideenraum
  • Start Lösungsraum
  • Prozessende

Der Zeitraum für den Gesamtprozess kann variieren. Du kannst den Prozess sowohl kompakt an einem oder (besser) zwei Tagen oder auch über mehrere Wochen planen. Als Faustregel gilt: plane 60 % der Zeit für den Problemraum; 10 % für den Ideen- und 30 % für den Lösungsraum.

Bedenke dabei: Design Thinking ist ein iterativer und offener Prozess, wie Du im weiteren Verlauf lernen wirst. Plane also ein, dass sich der Prozess eventuell verlängern kann. Nutze zudem die kreative Kraft von Pausen, indem Du diese gezielt einplanst.

Tipp:

Plane am Ende jeden Prozessschrittes eine Feedbackschleife ein. Die Zwischenergebnisse können entweder zwischen den Teams, vor Externen oder auch vor Nutzern präsentiert werden.

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Hol dir, falls nötig Hilfe

 
Bestimme ein bis zwei Personen, die den Prozess leiten (Lead-Coaches). Sie sollten Prozessexpertise und Moderationserfahrung haben. Wenn Du keine geeigneten Personen findest, dann hole Dir externe Expertise.

2.

Den Problemraum erkunden

2.
Das Ziel der ersten Prozessphase ist es, das Problem aus Sicht der Nutzer zu begreifen. Dein Team betritt den sogenannten Problemraum. Dort wird im ersten Schritt die Fragestellung aus der Eigenperspektive analysiert. Es entstehen Hypothesen über Problemstellungen, die im zweiten Schritt aus der Fremdperspektive überprüft werden. Ergebnisse sind wesentliche Einsichten über Nutzerbedürfnisse, sie sind die Grundlage für die Beschreibung des sogenannten Point of View (PoV) und werden in der Zielfrage zugespitzt.

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Eigenperspektive verstehen

 
Im ersten Prozessschritt geht es darum, das Problemfeld aus der Eigenperspektive zu erkunden. Das Team erarbeitet sich einen gemeinsamen Kenntnisstand und nimmt die unterschiedlichen Sichtweisen der Teammitglieder wahr.

Fragestellungen für die Teilnehmer*innen sind:

  • Was habe ich selbst für Erfahrungen gemacht? Was habe ich dazu gehört? Was nehme ich war?
  • Was ist positiv (bzw. könnte positiv sein)? Was ist negativ (könnte negativ sein)? Was sind offene Fragen und was wissen wir nicht?

Die Antworten werden gesammelt und geclustert. Gegebenen Falls ergeben sich Rechercheaufträge.

Am Ende dieser Arbeitsphase werden mögliche Problemfelder definiert. Hierbei gilt: Quantität vor Qualität. Methoden, die in dieser Phase eingesetzt werden können, sind:

  • Design-Challenge
  • Journaling (aus der Ich-Perspektive)
  • PMI-Methode (Plus-Minus-Interesting)
  • SWOT-Analyse

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Fremdperspektive einnehmen

 
Im nächsten Schritt geht es darum, das Problemfeld aus der Fremdperspektive – aus der Perspektive der Nutzer bzw. der Beteiligten – zu verstehen.

Startfragen:

  • Welche Gruppe hat das Problem oder die Probleme, die wir aus der Eigenperspektive ermittelt haben?
  • Aus wessen Perspektive wollen wir das Problem betrachten? Welche Nutzergruppen sind besonders relevant?

Wenn mehrere Arbeitsgruppen oder Teams an dem Thema arbeiten, macht es hier Sinn, dass die Gruppen die relevanten Zielgruppen untereinander verteilen.

Ziel ist es, das Problem aus Sicht der Zielpersonen zu begreifen, Hypothesen aus der Eigenperspektive zu überprüfen und relevante Nutzerbedürfnisse zu erkennen.

Auch hier gilt: Quantität vor Qualität.

Um den Denkraum zu öffnen (divergierendes Denken), bieten sich zum Beispiel folgende Methoden an:

  • Persona
  • Nutzerbeobachtungen
  • Nutzerinterviews
  • User Journey
  • User Stories
  • Empathymap

Diese Methoden können kombiniert werden. Die Methodenwahl hängt von der Fragestellung und vom Zeitbudget ab.

Abschließend geht es darum, die relevanten Problemfelder zu erkennen, sie zu verorten und zu bewerten (konvergierendes Denken).

3.

Eine Zielfrage verfassen

3.
Die Zielfrage beschreibt den sogenannten Point of View (PoV). Sie bündelt die Erkenntnisse des Problemraumes in einer neuen, einzigen Fragestellung. Diese Frage bezieht sich auf das zentrale Bedürfnis bzw. das zentrale Hindernis der Nutzer.

Prozessfragen sind zum Beispiel:

  • Was ist das zentrale Problem? Das zentrale Hindernis?
  • Wie ist die emotionale Befindlichkeit?
  • Wie lautet das zentrale Bedürfnis?

Die Zielfrage gilt es sorgfältig zu formulieren. Sie beeinflusst wesentlich die Arbeit im Ideen- und Lösungsraum.

Bewertungskriterien:

  • Ist der Bezug zum zentralen Problem, Hindernis oder Bedürfnis eindeutig?
  • Steht das Bedürfnis im Vordergrund und nicht die Zielgruppe?
  • Ist die Frage inspirierend?
  • Ist die Frage offen gestellt? Oder nimmt sie Lösungsmöglichkeiten vorweg?

4.

Den Ideenraum öffnen und schließen

4.
Im Ideenraum geht es darum, Ideen zur Lösung der Zielfrage zu generieren. Wieder gilt: Quantität vor Qualität. Hier kann jede Methode zur Ideengenerierung benutzt werden. Wenn mehrere Methoden genutzt werden sollen, ist es wichtig, diese so aufeinander abzustimmen, dass die Ergebnisse der einzelnen Ideenrunden nicht verloren gehen. Einige Methoden eignen sich hierbei besser, möglichst viele Ideen zu erarbeiten, mit anderen kann man Ideen gut weiterentwickeln.

Mögliche Methoden:

  • 6-3-5
  • Brainwriting
  • SCAMPER
  • Kopfstandmethode
  • Analogietechnik

Ein Tipp: Plane im Ideenraum Pausen ein. Meist sind die ersten Ideen noch schwach. Viele Ideen entstehen intuitiv in den Pausen zwischen den Methoden und fließen dann bei der nächsten Methode mit ein.

Am Ende der Ideenphase gilt es, die Ideen zu bewerten, um eine bis drei Ideen für den Lösungsraum auszuwählen. Dabei ist zu berücksichtigen: Eine Idee ist noch keine Lösung!

Kriterien für die Beurteilung können sein:

  • Wie gut löst die Idee voraussichtlich das Problem (Bezug zur Zielfrage)?
  • Wie hoch ist vermutlich der Aufwand in Entwicklung und Umsetzung?
  • Wie neu ist die Idee?
  • Wie stark begeistert und motiviert die Idee das Team?

5.

Lösungen entwickeln

5.
Im Lösungsraum werden aus Ideen Lösungen. Man kann die Idee mit weiteren Kreativmethoden weiterentwickeln oder direkt ins Prototyping starten. Beim Prototyping geht es darum, mit so wenig Aufwand wie möglich die Lösung erfahrbar zu machen, sodass man sie präsentieren und testen kann. Für erste Prototypen eignen sich:
  • Papierdummys
  • Modelle aus Bastelmaterialien (auch Lego)
  • Rollenspiele
  • Klickdummys
  • 3-D-Modelle
  • Wire-frames

Planen Sie zu Beginn, wie viele Phasen das Prototyping haben kann. Jede Phase endet mit einer Präsentation oder Testung des Prototypen, wenn möglich unter Einbeziehung der Nutzer. Vor jeder Präsentation oder Testung sollte das Team festlegen, was es will. Das Feedback der Testpersonen oder des Präsentationspublikums ist wertvoller Input zur Verbesserung des Prototypen.

Am Ende des Prozesses steht ein Lösungskonzept oder auch ein aussagekräftiger Prototyp.

6.

Iterative Prozessschleifen berücksichtigen

6.
Design Thinking sieht iterative Prozessschleifen vor. Im Verlauf des Prozesses muss Dein Team immer wieder Entscheidungen treffen, welche den weiteren Prozessverlauf beeinflussen. So muss Dein Team Probleme bewerten und aussortieren. Es muss Zielgruppen auswählen und Bedürfnisse gewichten. Zu einem späteren Zeitpunkt muss es dann Ideen bewerten und die geeigneten auswählen. Dabei kann es vorkommen, dass Dein Team im Prozessverlauf Erkenntnisse gewinnt, die es notwendig machen, zurückliegende Entscheidungen neu zu überdenken. Dieses „Scheitern“ ist Teil des Erkenntnisprozesses. Das Team geht an die Stelle im Prozess zurück, an der die jeweilige Entscheidung getroffen wurde und fällt sie neu. Erfahrene Design Thinking Coaches erkennen diese Sollbruchstellen und führen das Team zurück an die richtige Prozessstelle. Beispiele:
  • Vielleicht wird es notwendig, eine weitere Zielgruppe zu beleuchten, weil diese wesentlich für die Umsetzung einer Idee ist.
  • Vielleicht zeigt sich in der Ideengenerierung, dass die Zielfrage nicht inspiriert. Eventuell muss die Frage neu formuliert werden.
  • Vielleicht werden im Lösungsraum Bedürfnisse der Nutzergruppen deutlich, die bisher nicht berücksichtigt wurden. Gegebenenfalls müssen diese Bedürfnisse untersucht und die Zielfrage neu formuliert werden.

Der Projekt- und Zeitplan sollte diese iterativen Schleifen zulassen. Sie erhöhen ganz wesentlich die Qualität der generierten Lösungen.

Jetzt hast Du einen Überblick über den Design Thinking Prozess und weißt wie Du ihn nutzen kannst um bessere Lösungen zu entwickeln.

Weiterführende Quellen:

Bildnachweise:

Autor Thomas Hesselmann-Höfling

In einer Zukunft, in der der stetige Wandel zur Normalität wird und Agilität und Resilienz für Organisationen immer wichtiger werden, wollen wir Menschen und Organisationen helfen ihren Sinn zu erkennen, auszugestalten und zu kommunizieren. Dabei setzen wir auf Beteiligung der Menschen und arbeiten mit kreativen und agilen Methoden um wandelnde Nutzerbedürfnisse zu erkennen und zur Basis von Angeboten und Lösungen machen, die einen Wert haben, effizient wirken und eine hohe Akzeptanz erzielen.


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