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Logistikprozesse durch RFID optimieren

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In Fertigungsprozessen müssen Produkte laufend erfasst und identifiziert werden. So wird sichergestellt, dass das richtige Produkt zur richtigen Zeit am richtigen Ort ankommt. Das zu realisieren, ohne die Prozesskosten in die Höhe zu treiben, ist ein Aufgabenfeld, in dem Identifikationsverfahren zum Einsatz kommen. Neben traditionellen Barcodes finden dazu IoT (Internet of Things) Systeme immer häufiger Einzug in die Produktionshallen. Eine Basistechnologie des Internet of Things ist die sogenannte Radio Frequency Identification oder kurz RFID.

Sie ermöglicht die kontaktlose Identifikation von Objekten und wird bereits in vielen Lebensbereichen eingesetzt – zum Beispiel bei der Diebstahlsicherung. Doch auch im verarbeitenden Gewerbe hat RFID ein enormes Potenzial. Ein Anwendungsbereich dort ist die Intralogistik, da hier Produkte zum internen Weitertransport erfasst und identifiziert werden müssen.

Willst Du wissen, wie Du RFID zur Optimierung Deiner Intralogistikprozesse einsetzen kannst? Dann schau Dir in diesem Leitfaden an, welche Schritte notwendig sind, um RFID in Deiner betriebsinternen Logistik einzuführen und so die Transportprozesse zu verbessern.

1.

Kenn die Prozesse, um Anforderungen abzuleiten

1.
Beginne mit der Prozessanalyse. Intralogistische Prozesse zeichnen sich dadurch aus, dass sie innerhalb des Betriebsgeländes stattfinden. Weshalb Du die Prozesse auch intern analysieren kannst. Hierbei ist es wichtig, alle Prozessschritte, die Dein Produkt oder Transporthilfsmittel (Palette, Box, Kiste, Wagen etc.) durchläuft, detailliert aufzunehmen. Dadurch wird erfasst, welche Anforderungen an ein RFID-System entstehen. Für Supply Chain (Lieferkette) übergreifende Lösungen muss die Analyse und Abstimmung mit den Projektbeteiligten in den Mittelpunkt gerückt werden. Wenngleich RFID ein enormes Potenzial bietet, ist hier dennoch Vorsicht geboten.

„Wenn sie einen Scheißprozess digitalisieren, dann haben sie einen scheiß digitalen Prozess.“ Thorsten Dirks, CEO von Telefónica Deutschland 2015

Es ist sinnvoll, die Prozessaufnahme gemeinsam mit den Prozessbeteiligten durchzuführen.  Diese kennen die Sonderfälle und können Hindernisse somit schon bei der Einführung frühzeitig identifizieren. Eine gute Methode um Prozesse aufzunehmen, ist die Post-It Methode.

2.

RFID Systeme verstehen

2.
RFID (Radio Frequency IDentification) ist ein Identifikationsverfahren zur eindeutigen Identifikation von Waren. Im Unterschied zum Barcode braucht RFID keine Sichtverbindung zwischen dem Lesegerät und der Ware. Die bloße Nähe (Ferne) genügt. RFID Systeme lassen sich in verschiedene Frequenzen unterteilen von „Low Frequency“ (125 kHz) bis „Ultra High Frequency“ (UHF) (869 MHz) mit unterschiedlichen Eigenschaften. Wobei jedes System aus RFID-Transpondern, RFID Lesegeräten mit Antennen und einem Informationssystem besteh. Einen Einstieg bieten Dir die folgenden Punkte.

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Transponder oder Tags

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Transponder gibt es in verschiedenen Bauformen abhängig vom Anwendungsfall. Von kleinen Tags in Briefmarkenformat bis zu großen Transpondern in Plastikgehäusen. Wenn man über RFID Transponder spricht, sind meistens sogenannte passive Transponder gemeint. Diese kommen ohne Batterie aus und werden durch das Signal der Antenne aktiviert. Die Größe und der Untergrund, auf den der Transponder befestigt wird, haben enormen Einfluss auf die Funktionsweise. So gibt es z.B. „on-metall Tags“, die auf Metall befestigt werden können und dort besser erfassbar sind als normale Tags. Grundsätzlich gilt, je größer ein Transponder, desto besser wird er erfasst. Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal ist die Beschreibbarkeit von Transpondern. „Read Only“ Transponder haben eine feste Nummer, die nicht mehr verändert werden kann. Bei den beschreibbaren Transpondern können Daten nachträglich ergänzt werden, woraus sich viele Vorteile ableiten lassen.

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Lesegeräte und Antennen

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Lesegeräte und Antennen machen eine Erfassung der Transponder möglich. Sie senden eine Frequenz aus und empfangen die vom im Antennenfeld befindlichen Transponder zurückgesendeten Signale. Es gibt Handlesegeräte und feste Lesestationen je nach Bedarf Deines Unternehmens. Die Transpondererfassung ist von verschiedenen Faktoren abhängig wie Größe oder Polarisierung der Antenne. Die Antennenumgebung hat ebenfalls Einfluss auf die Erfassung von Transpondern. Zum Beispiel können Metalloberflächen in der Antennenumgebung das Antennensignal reflektieren und zu fehlerhafte Erfassungen führen.

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Informationssystem

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Entscheidend ist, wie die erfassten Transponderdaten in die bestehende IT-Infrastruktur eingebunden werden. Die als String ausgegebenen Transponder Daten können auf verschiedenen Ebenen (MES, ERP, etc.) eingebettet werden und so Prozesse beeinflussen. Für die Kommunikation mit einem der Systeme wird in der Regel eine Middleware benötigt, welche die eingehenden Daten prüft und filtert. Zudem muss die Schnittstelle definiert werden, wie die Daten übergeben werden.

3.

Berücksichtige Besonderheiten des Anwendungsfalls

3.
RFID-Systeme sind sehr leistungsfähig, wenn Du die Gegebenheiten umfassend analysiert hast. Fragen, die Du vor der Einführung berücksichtigten solltest sind:
    • Möchte ich Produkte, Transporthilfsmittel (z.B. eine Palette) oder beides erfassen?
    • Was muss der Transponder alles aushalten, wenn er den Prozess durchläuft?
    • Auf welchen Untergrund wird mein Tag angebracht?
    • Möchte ich mehrere Tags auf einmal erfassen (Pulkerfassung) oder immer nur einzeln?
    • Ist die Richtung, in der der Transponder gelesen wird, immer gleich?
    • Möchte ich Transponder nur auslesen oder auch beschreiben?
    • Wie kann ich die Erfassung und das Einlesen der Transponder realisieren?
    • Wie ist die Antennenumgebung gestaltet?
    • Mit welcher Software möchte ich interagieren?

4.

RFID basierte Prozesse in der Intralogistik gestalten

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Prozesse gewinnbringend zu gestaltet, ist eine große Herausforderung. RFID bietet Dir dabei viele Möglichkeiten, dies zu tun.

Am Ende muss sich ein Investment in eine solche Technologie aber rentieren oder den strategischen Zielen Deines Unternehmens dienen.

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Intralogistikprozesse gestalten

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Bei der Prozessgestaltung ist Kreativität und Technologieverständnis gefragt. Denn das Einsatzpotential von RFID ist vielfältig:
    • RFID ermöglicht es, Objekte ohne Sichtverbindung zu identifizieren. Deshalb können diese Systeme auch in schmutzanfälligen Umgebungen eingesetzt werden.
    • Produkte können automatisiert mit den Verpackungen und den Transporthilfsmitteln verknüpft werden, auf denen sie sich befinden. So ist bekannt, welche Box welche Teile beinhaltet
    • Weiter können mehrere Objekte gleichzeitig erfasst werden. Eine Palette mit mehreren Transportboxen kann durch ein sog. RFID-Gate – wie es im Einzelhandel zur Diebstahlkontrolle eingesetzt wird – gefahren werden und alle Tag IDs werden gelesen und z.B. in eine andere Abteilung oder ins Lager gebucht.
    • Maschinen können automatisiert auf die Fertigungsparameter des ankommenden Produktes eingestellt werden, da über die mit dem Transporthilfsmittel verknüpfte Produkt ID oder der ID selbst bekannt ist, welches Produkt bearbeitet werden soll.
    • Die entsprechende Fertigungsstufe kann auf dem beschreibbaren Tag hinterlegt werden, wodurch Medienbrüche und die daraus folgenden Fehler reduziert werden.
    • Im Behältermanagement lässt sich so die Anzahl der im Umlauf befindlichen Behälter und deren Zustand analysieren.
    • Fehlerhafte Chargen lassen sich durch Handlesegeräte leicht lokalisieren ohne Zettel zu lesen.
    • Die Erweiterung von RFID Transpondern mit Sensoren sog. RFIDS-Systeme sollten bei Deiner Planung ebenfalls Berücksichtigung finden.
    • Und viele mehr…

Zur Visualisierung Deiner zukünftigen Prozesse bietet sich wieder die Post It Methode an.

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Einsparungen bewerten

 
Wenn Du die durch RFID optimierten Prozesse designt hast, solltest Du prüfen, ob sich ein Investment für Dich lohnt.

Eine gute Möglichkeit, die Einsparungen zu bewerten, ist die Prozess-Kostenrechnung. Hierbei stellst Du die Kosten Deines aktuellen Prozesses den Kosten Deines zukünftigen, durch RFID optimierten Prozesses gegenüber. Beispielsweise kann die ERP-Umbuchung eines bearbeiteten Artikels in eine andere Abteilung betrachtet werden:

Durch RFID läuft diese automatisiert und ohne Arbeitsaufwand für den Mitarbeiter:in ab. Ohne RFID muss die Ware manuell umgebucht werden. Dazu sucht ein Mittarbeiter:in den Artikel, notiert eine Nummer und überträgt diese ins ERP System. Danach druckt er oder Sie einen Zettel aus und legt diesen dem Artikel bei.

Die beiden Prozesse lassen sich gegenüberstellen und die Differenz der Dauer beider Prozesse mit dem durchschnittlichen Stundenlohn verrechnen. Über alle veränderten Prozesse und die Prozesshäufigkeit ergeben sich so die Einsparungen, die durch die Einführung von RFID realisiert werden können. Natürlich gilt es dabei auch noch andere Parameter zu beachten, wie die Prozessqualität oder die Prozessstabilität.

5.

Die Risiken kennen

 
Die Einführung von RFID-Systemen geht mit Kosten einher, die von der Analyse und Gestaltung von Prozessen über die Beschaffung von Hardware bis zur Integration in die bestehende IT-Infrastruktur reichen. Zudem können nicht berücksichtige Umgebungseigenschaften den Erfolg Deines Projektes mindern.

Die fehlerhafte Erfassung von Tags kann zu einem erhöhten manuellen Aufwand führen. Zudem können Deine Mitarbeiter durch die Einführung von RFID ihren Arbeitsplatz bedroht sehen.

Beschäftige Dich deshalb nicht nur mit den Potenzialen und den Einsparungen, sondern auch mit den möglichen Risiken.

6.

Mach den Test

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Probieren geht über Studieren! Deshalb mach es einfach. Suche Dir einen geeigneten RFID-Anbieter aus. Die meisten Geräte weisen durch Normen eine hohe Kompatibilität auf, weshalb eine erste Auswahl nicht automatisch Dein finales System darstellen muss.

Suche Dir eine Maschine und ein paar Transporthilfsmittel oder Produkte aus und teste Deine neuen Prozesse. Um einen ersten Eindruck zu bekommen, kannst Du Hersteller von RFID Equipment kontaktieren und Testaufbauten vereinbaren. Vorteile werden dadurch sicht- und messbar und helfen, weitere Hindernisse zu erkennen und zu beseitigen.

Lohnt sich die Investition und ist Dein Test erfolgreich, kannst Du mit dem Roll-out starten.

Nun weißt Du, wie Du ein RFID-Projekt in Deinem Unternehmen planen und umsetzen kannst. Falls Du noch weitere Fragen oder Anregungen hast, melde Dich doch gerne bei uns. Wir stehen Dir jederzeit mit unserem Netzwerk zur Seite.

Weiterführende Quellen und Links

Chen & Chen (2016): „RFID technologies for Internet of Things.”

Finkenzeller (2015): “RFID-Handbuch: Grundlagen und praktische Anwendungen von Transpondern, kontaktlosen Chipkarten und NFC

Günthner & Reiser (2011): „Entwicklung des RFID- Einsatzes in der Logistik: referenzenbasierte Studie.“

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Autor Hendrik Plogmaker

Jahrgang 1990; geboren und aufgewachsen im Münsterland. Als Service-Techniker und Richtmeister für Strahlanlagen konnte ich Unternehmen aus aller Welt kennenlernen. Diese Erfahrung und ein Master in Wirtschaftsingenieurwesen helfen mir seit Anfang 2021 maßgeschneidert Leitfäden für KMU des verarbeitenden Gewerbe zu erstellen.


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