Leitfäden

Serviceprozesse mit AR flexibler gestalten

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Eine wichtige Maschine in Deiner Fertigung fällt aus. Jetzt ist schnelle Hilfe gefragt – doch ein:e Servicetechniker:in kann frühestens in ein paar Tagen anreisen. Aber nur mit entsprechendem Fachwissen lässt sich die Maschine wieder in Gang zu bringen.

Ein solcher wissensbasierter Serviceprozess lässt sich heute gut mit Augmented Reality (AR) flexibilisieren. Mittels Datenbrille oder Tablet können die relevanten Informationen zur Störungsbehebung im Sichtfeld eingeblendet werden. Dadurch sind Mitarbeitende, die nicht im Detail mit der Störungsbehebung vertraut sind, in der Lage diese zu beseitigen.

In diesem Leitfaden erfährst Du, welche Schritte relevant sind, um verschiedenste Serviceprozesse mittels AR zu flexibilisieren und wie Du ein solches Projekt angehen kannst.

1.

Potenzial identifizieren und Serviceprozesse bewerten

1.
Der erste Schritt besteht darin, die eigenen Serviceprozesse zu betrachten und zu bewerten, ob und an welcher Stelle der Einsatz von Augmented Reality einen sinnvollen Nutzen darstellt. Grundsätzlich besteht der Mehrwert AR basierter Serviceprozesse darin, dass die Personen mit dem notwendigen Fachwissen zur Durchführung einer Tätigkeit nicht mehr am konkreten Einsatzort sein müssen. Sie können ihr Fachwissen präzise und intuitiv an die Personen vor Ort vermitteln. Dies wird als AR basierter Remote Service bezeichnet, der mitunter weite Dienstwege ersparen und generell ein großes Potenzial für Effizienzsteigerungen der Serviceprozesse bieten kann. Kriterien für die Auswahl eines solchen Prozesses sind zum Beispiel:
  • Häufigkeit des Servicefalls
  • Kosten des Einsatzes
  • Gesamtbearbeitungszeit bei Servicebedarf

Sollte das Ergebnis dieses Schrittes sein, dass der Einsatz von Remote Service sinnvoll erscheint, kann mit dem nächsten Schritt des Leitfadens dessen Einführung begonnen werden.

2.

Die Werkzeuge auswählen

2.
Bei der Integration von AR in die eigenen Serviceprozesse ist es zunächst wichtig, sich für die richtigen Werkzeuge zu entscheiden. Das bezieht sich sowohl auf Hardware in Form der Endgeräte, die genutzt werden sollen, als auch auf die verwendeten Software-Tools. Diese Entscheidung sollte gut überlegt und die Vor- und Nachteile der verschiedenen Optionen ausreichend betrachtet werden, da hier bereits der Grundstein für den nachhaltigen Erfolg der Einführung von AR in die Serviceprozesse gelegt wird.

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Hardware

 
Bei den Endgeräten für AR basierten Remote Service kann grundsätzlich zwischen zwei Kategorien unterschieden werden. Diese sind zum einen klassische Smartphones/Tablets und zum anderen AR-Brillen. Der Vorteil der ersteren liegt in der großen Verbreitung, dem einfachen Zugang und der Tatsache, dass nahezu jede:r bereits an den Umgang mit Smartphones/Tablets gewohnt ist. AR-Brillen hingegen sind in der Regel teuer und für viele ungewohnt in der Benutzung. Sie bieten jedoch zum Teil einen größeren Funktionsumfang und insbesondere den Vorteil, dass beide Hände frei verwendet werden können, was bei vielen Servicetätigkeiten unumgänglich ist. Eine Gegenüberstellung verschiedener Endgeräte findest Du hier.

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Software

 
Bei der Wahl des Software-Tools für AR basierten Remote Service steht heute bereits eine große Auswahl zur Verfügung, wie etwa oculavis SHARE, Vuforia Chalk oder Scope AR Worklink, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Die Tools der verschiedenen Anbieter unterscheiden sich in der Auswahl der unterstützten Endgeräte, dem Funktionsumfang, der Benutzerfreundlichkeit sowie nicht zuletzt im Preis.

Es gibt keine eindeutige Antwort auf die Frage, welche die beste Lösung ist, da die Vor- und Nachteile vom jeweiligen Szenario im Unternehmen abhängen. Eine aktuelle Übersicht der verschiedenen Tools findet Du hier.

3.

Mitarbeitende schulen und trainieren

3.
Auch wenn von dem Einsatz von Augmented Reality in den Serviceprozessen langfristig eine große Effizienzsteigerung zu erwarten ist, ist die Nutzung dieser Technologie für die meisten aktuell noch neu und ungewohnt. Daher ist es wichtig, dass einige Mitarbeitende in der Anwendung des Tools geschult werden, bevor es in einem realen Serviceumfeld genutzt wird. Hierzu bieten viele Software-Tools eigens entwickelte Übungsfunktionen. Die geschulten Mitarbeitenden können in einem späteren Schritt ihre Kolleg:innen beim Erlernen des Umgangs unterstützen. Das hilft Dir, die Akzeptanz für AR Lösungen zu erhöhen und Fans für die Flexibilisierung der Serviceprozesse zu gewinnen.

4.

Einsatz pilotieren und bewerten

4.
Bevor das Werkzeug (Hard- und Software) auf alle Bereiche des Service ausgerollt wird, solltest Du den Einsatz in einem kleinen Teilbereich, wie etwa einer ausgewählten Maschine, zusammen mit einem oder einigen wenigen Mitarbeitenden testen. Wichtig ist, den Einsatz des Werkzeuges während dieser Pilotphase zu evaluieren, um Rückschlüsse für den nachfolgenden Schritt des Leitfadens zu erhalten. Bewertungskriterien können messbare Größen sein, wie etwa die mittlere Bearbeitungszeit für einen Servicefall. Aber auch subjektive Einschätzung der Mitarbeitenden bezüglich Nutzen und Komfort des Werkzeuges spielen eine wichtige Rolle für den langfristigen Erfolg.

5.

Konzept anpassen

5.
Auf Basis der Bewertung der Pilotphase hast Du nun die Möglichkeit, das Konzept des eingesetzten Werkzeuges anzupassen und zu optimieren. Das ist nicht nur wichtig, um das größtmögliche Potenzial aus der Einführung des Tools zu schöpfen, sondern auch, weil sich konzeptionelle Änderungen in dieser Phase noch relativ einfach umsetzen lassen. Weitreichende Änderungen nach dem Ausrollen des Werkzeuges auf alle Bereiche ziehen mitunter großen Aufwand und Kosten nach sich und sollten daher nach Möglichkeit frühzeitig vermieden werden.

6.

Werkzeug ausrollen und Motivation langfristig erhalten

 
Das Werkzeug kann nun mit dem ausgearbeiteten Konzept auf alle Servicebereiche und alle beteiligten Mitarbeiter:innen ausgerollt werden. Diese müssen im Einsatz des Tools zunächst unterrichtet werden. Arbeite dazu mit den Mitarbeitenden aus den Schulungs- und Pilotphasen zusammen, die mit ihrer Expertise aus diesen Phasen ihre Kolleg:innen fachlich unterstützen können. Darüber hinaus sorgen sie durch (positive) Erfahrungsberichte für eine niedrigere Hemmschwelle bei der erstmaligen Nutzung und höhere Akzeptanz bei der Einführung des Werkzeuges.

Damit es langfristig und nachhaltig genutzt wird, muss die Motivation der Mitarbeiter:innen hochgehalten werden. Das kannst Du bspw. erreichen, indem Du zeitliche und finanzielle Einsparungen durch den Einsatz des Tools (teilweise) nutzt, um etwa ein Betriebsfest für die Mitarbeitenden zu organisieren. 

7.

Den Erfolg prüfen

7.
Wenn das Tool einige Wochen oder Monate im Einsatz war, solltest Du dessen Erfolg prüfen, um die Einführung zu validieren. Hierzu ermittelst Du Kennzahlen, mit denen Du die Durchführung von Servicetätigkeiten vor und nach der Einführung des Tools vergleichen kannst, wie zum Beispiel die Gesamtanzahl bearbeiteter Aufträge pro Monat oder die mittlere Bearbeitungszeit nach Kategorie der Servicetätigkeit. Der Vergleich der Kennzahlen liefert Dir schnell eine Auskunft darüber, ob und wie sehr sich die Einführung des Werkzeuges gelohnt hat.

Neben quantitativen Größen ist es auch sinnvoll, die Mitarbeiter:innen zu befragen, wie sie den alltäglichen Einsatz des Tools bewerten und ob sie Potenzial für Optimierungen sehen. So stellst Du nachhaltig sicher, dass der Aufwand und die Kosten für die Einführung des AR basierten Remote Services einen größtmöglichen Nutzen bieten.

Jetzt weißt Du, was notwendig ist, um Serviceprozess mittels AR zu flexibilisieren. Wenn Du mehr wissen willst oder Anregungen zum Thema hast, melde dich gerne bei uns. Wir vom Digitalradar münsterLAND stehen dir jederzeit mit unserem Netzwerk zur Seite.

Weiterführende Quellen und Hinweise:

Grothues, Feldmann & Thesing (2021): „ Digitale Geschäftsmodell-Innovation mit Augmented Reality und Virtual Reality“
Gallala, Hichri Plapper (2019): „Survey: The Evolution of the Usage of Augmented Reality in Industry 4.0“
Manuel Wiesche et.al (2021): „Systematische Entwicklung von Dienstleistungsinnovationen“ Seite 307-229
Lang & Müller (2020): „Von Augmented Reality bis KI“ Seite 73 bis 82

Bildnachweise:

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Autor Tim Seyock


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