Leitfäden

Einen Produktkonfigurator erstellen und zum Vertriebskanal entwickeln

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Immer mehr Kunden wünschen sich Produkte, die individuell an Ihre Bedürfnisse angepasst sind. Auf der anderen Seite stehen die Unternehmen, die auf diese Individualisierung reagieren müssen und trotz der dynamischen Kundenwünsche eine bessere Planbarkeit der Produktionsauslastung anstreben. Diese Herausforderungen stehen in einem scheinbaren Widerspruch. Eine Lösung dafür bieten Produktkonfiguratoren, mit denen Kund:innen die Produkte eigenständig online konfigurieren. Über die Integration der nachgelagerten Produktionsprozesse verbessert sich auch die Planbarkeit.

Ob das Regalsystem bei IKEA oder die Adilette von Adidas. Zahlreiche produzierende Unternehmen nutzen bereits Konfiguratoren in ihren Verkaufsprozessen. Dieses Potenzial bietet sich auch für mittelständische Unternehmen im produzierenden Gewerbe an.

Doch wie entwickelt man einen solchen Konfigurator? Was ist nötig, um einen solchen Online-Konfigurator zu gestalten und welche Schritte musst Du dabei beachten? Das alles erfährst Du Schritt für Schritt in diesem Leitfaden.

1.

Das richtige Produkt auswählen

1.
Zu Beginn legst Du fest, welches Produkt oder welche Produktgruppe Du den Kund:innen in einem Konfigurator anbieten möchtest. Der Vorteil für die Kund:innen ist, dass sie nicht mehr aus einer Vielzahl an durch den Hersteller vorbestimmten Varianten auswählen müssen. Sie können eigenständig aus einem Set an Variationsmöglichkeiten eine auf seine Bedürfnisse zugeschnittene Produktvariante erstellt. Als Hersteller:in musst Du Dir also beim Entwicklungsprozess keine Gedanken mehr machen, welche Varianten Deine Kund:innen wünschen. Du übergibst ihm oder ihr das Zepter. Ein besonderer Mehrwert dabei ist: Du bindest die Käufer:innen stärker an Dein Unternehmen, da sie bereits bei der Konfiguration anfangen, sich mit dem Produkt zu identifizieren (Involvment).

Das Produkt sollte deshalb:

  • Variantenreich sein
  • Eine hohe Kompatibilität zwischen den Variantenmerkmalen aufweisen

Über das vorausgewählte Produkt werden auch alle weiteren individuellen Gestaltungsmöglichkeiten festgelegt.

2.

Strukturiere und definiere Prozesse neu

2.
Bietest Du Deinen Kunden ein „Massenprodukt“ an, sollten Deine Prozesse idealerweise automatisiert ablaufen. Dies hat zur Folge, dass die nachgelagerten Prozesse neu strukturiert oder definiert werden müssen. Konkret kann dies bedeuten, dass Beschaffungsvorgänge automatisch anhand der kundenseitigen Konfiguration ablaufen und Aufträge direkt an die Fertigungsmaschinen übermittelt werden. Dabei solltest Du versuchen, Medienbrüche zu verhindern, umso die Effizienz zu steigern und Fehler zu vermeiden.

Bietest Du keine Massenprodukte an, müssen die Prozesse nicht unbedingt automatisiert ablaufen. Denn der Konfigurator ist nur Dein Zugang zu dem Kunden/der Kundin und gibt Dir eine Möglichkeit, auf die individuellen Bedürfnissen einzugehen.

Achte aber auch darauf, dass der Konfigurator so erstellt sein muss, dass er Deine internen Fähigkeiten und Rahmenbedingungen berücksichtigt.

3.

Gestaltung des Konfigurators

3.
Bei der Integration des Konfigurators in deine IT-Landschaft, musst Du Dir bewusst machen, dass Arbeitsschritte, die sonst Designer:innen und Konstrukteure aus Deinem Unternehmen durchführen, nun von den Kund:innen übernommen werden. Dafür muss das Wissen aus diesen Prozessschritten in den Konfigurator eingebracht werden.

Gleichzeitig sollten Usability und Funktionalität so dargestellt werden, dass der Kunde oder die Kundin nicht überfordert wird. Komplexität schreckt ab und könnte in dem Fall zu einem Abbruch des Konfigurations- und Kaufprozesses führen. Deshalb nicht nur aus technischer Perspektive denken, sondern die Kundenbedürfnisse  in den Mittelpunkt der Entwicklung stellen.

Darüber hinaus muss Dein Konfigurator natürlich im „Look and Feel“ Deiner Unternehmenspräsenz sein.

3.1

Die Umgebung verstehen

 
Bevor Du nun anfängst, Attribute (veränderbare Eigenschaften) Deines Produktes in den Konfigurator einzubetten, musst Du Dir über die Verbindungen zwischen den Attributen bewusstwerden. Dazu ist das Know How der Konstrukteure und Designer:innen gefragt. Sie müssen Ihre Erfahrungen in den Konfigurator einbringen, um:

    • Konflikte zwischen den gewünschten Attributen zu vermeiden
    • Ein einheitliches Erlebnis zu schaffen
    • Abhängigkeiten zu erkennen und über entsprechende Regeln, Skripte, Tabellen und Einschränkungen abzuwickeln


Dabei können Dich Programme unterstützen, in denen Du die Hierarchien und Prozesse festlegen kannst und so Dein Unternehmenswissen in den Konfigurator einbringst.

3.2

Verschaffe mit kleinen psychologischen Tricks Vorteile

 
Konfiguratoren bieten Dir die Möglichkeit, den Kunden/die Kundin zu Deinen Gunsten zu beeinflussen. Über verhaltenspsychologische Kniffe kann er oder sie zu bestimmten Handlungen gebracht werden, die er/sie sonst eher nicht ausführen würde. Hier eine kleine Auswahl der Kniffe:

Nudging – Ist ein kleiner Stupser zu einer bestimmten wünschenswerten Aktion. Bei Deinem Konfigurator kannst Du zum Beispiel die für Dich rentabelste Option als Vorauswahl oder Default treffen. Der Kunde oder die Kundin muss dann bewusst eine andere Option auswählen.

Framing – Hierbei ist der Rahmen entscheidend, in dem die Botschaft kommuniziert wird. Wird sie als Gewinn für den Kunden/die Kundin dargestellt oder als Verlust. Zum Beispiel kann ein bestimmtes Attribut das Gewicht erhöhen oder zur Verbesserung des Schwerpunktes beitragen.

Decoy – Diesem Kniff sind wir alle im Kino begegnet – das Popcorn. Die mittlere Tüte ist recht klein und kostet nur 1 Euro weniger als der große Eimer. Natürlich nimmt man da den Eimer. Der Decoy ist ein Lockvogel mit dem Du, ein für Dein Unternehmen gutes Angebot durch ein schlechtes Angebot rentabel aussehen lässt.

3.3

Biete Unterstützung und Beratung an

3.3
Die Unterstützung und die Beratung deiner Kund:innen sind essenziell. Deine Formulare sollten entsprechend gestaltet sein, dass sie leicht durch die Konfiguration leiten. Deshalb sollte:

    1. Der Prozess möglichst selbsterklärend sein. Der Benutzende muss in die Lage versetzt werden, sich selbstständig „durchzuklicken“
    2. Notwendige Informationen in Infokästen bereitstellen oder erklären
    3. Aufnahme der Nutzerdaten, um anschließend personalisiert auf die Bedürfnisse einzugehen


Evtl. kannst Du zur Unterstützung einen Chatbot einsetzten oder durch Tutorials die Kund:innen in der Benutzung des Konfigurators schulen.

3.4

Schaffe Transparenz oder lasse sie bewusst weg

 
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Transparenz. Wie weit sollen die Kund:innen in Deine Preisgestaltung einblicken? Möchtest Du Sie lediglich konfigurieren lassen und ihnen am Ende ein Angebot schicken, oder sollen sie direkt volle Transparenz erhalten und wissen, was sie für welches Attribut bezahlen. Beide Varianten sind möglich. Die Wahl ist abhängig vom Produkt, der Kundenstruktur und dem Geschäftsmodell.

4.

Begleite und Betreue deine Kund:innen während der Wartezeit

4.
Der Kunde oder die Kundin muss auf ein selbst konfiguriertes Produkt, meist eine Weile warten. Damit die Wartezeit nicht zu frustrierend wird, solltest Du einen entsprechenden Ersatz bei Vertragsabschluss übergeben. Dieses kann ein 3D gedrucktes Modell des konfigurierten Produktes sein oder ein 3D-Modell fürs Handy, Tablet oder Ähnliches.

Des Weiteren solltest Du die Wartezeit begleiten und Vorfreude erzeugen. Dies kostet Dich fast nichts, erhöht die Kundenzufriedenheit aber enorm. Zum Beispiel könntest Du den Kunden/der Kundin regelmäßig über den Bearbeitungszustand seines Produktes informieren.

5.

Gewinne neue Erkenntnisse aus den Kundenwüschen und Handlungsweisen der Kund:innen

5.
Deine Kund:innen werden unterschiedliche Optionen unterschiedlich häufig wählen. Auch werden Sie verschieden schnell durch die Optionen klicken. Oder sie brechen ihren Kauf an einer bestimmten Stelle häufiger ab.

All diese Daten kannst Du nutzen, um Deinen Konfigurator und Dein Produkt noch besser zu machen. Hier kommt häufig eine sogenannte Process Mining Software zum Einsatz.

Stellst Du zum Beispiel fest, dass eine Option häufig zum Abbruch führt, kannst Du diese weiter an das Ende verlegen. Dann hat der Kunde bereits mehr investiert und bricht seinen Kauf unwahrscheinlicher ab. Oder Du veränderst die auswählbaren Optionen. Hier gilt es dann zu testen, was besser ankommt.

6.

Einen Prototyp entwickeln

 
Nun kannst Du ein großes Projekt aufsetzen und ein Team erstellen, welches sich um die Umsetzung kümmert. Doch vielleicht kannst Du auch klein beginnen und einen ersten Prototypen bauen und testen. Dies kann ein einfaches Formular sein, welches die Auswahlmöglichkeiten darstellt und diese in einer Datenbank speichert. Dieses Formular kannst Du in eine Testpage Deiner Website einbetten und einigen Kunden zum Testen schicken. Für einen solchen Prototypen müssen noch nicht alle Strukturen angepasst sein. Du sammelst damit erste Erfahrungen, die Dir bei der weiteren Entwicklung helfen.

Hier findest Du einen ersten Prototypen für einen Leitfadenkonfigurator:

Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von docs.google.com zu laden.

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Deine Produkte mit dem Kunden/der Kundin gemeinsam zu entwickeln ist heute nicht mehr so schwer. Jedoch musst Du bei der Erstellung eines Konfigurators ein paar Punkte beachten. Solltest Du Hilfe bei der Entwicklung eines Produktkonfigurators brauchen, melde Dich gerne bei uns. Wir stehen Dir jederzeit mit unserem Netzwerk zur Seite.

Weiterführende Quellen und Hinweise:

Brinkop (2021): „Faktoren zur Wahl von Konfigurationssoftware“
Stormer (2007): „Kundenbasierte Produktkonfiguration“
Rogoll & Piller (2002): „Konfigurationssysteme für Mass Customization und Variantenproduktion“
Schneider, Weinmann & von Brocke (2018):„Digital Nudging: Guiding Online User Choices through Interface Design“

Bildnachweise:

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Autor Hendrik Plogmaker

Jahrgang 1990; geboren und aufgewachsen im Münsterland. Als Service-Techniker und Richtmeister für Strahlanlagen konnte ich Unternehmen aus aller Welt kennenlernen. Diese Erfahrung und ein Master in Wirtschaftsingenieurwesen helfen mir seit Anfang 2021 maßgeschneidert Leitfäden für KMU des verarbeitenden Gewerbe zu erstellen.


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