Leitfäden

Inbetriebnahmen und Wartung im Maschinenbau digitalisieren

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Die weltbesten Maschinen kommen nach wie vor aus Deutschland. Auch im Service sind wir Spitzenreiter. Inbetriebnahmen, Wartung und Reparaturen werden sorgfältig und gewissenhaft durchgeführt, meist unterstützt durch eine Vielzahl von Checklisten, Wartungsplänen und Dokumenten.

Viel Erfahrung steckt zudem in den Köpfen der Mitarbeiter, die vor Ort Maschinen in Betrieb nehmen und instand halten. Ziel der Digitalisierung ist daher, diesen wertvollen Mitarbeitern möglichst viele lästige Aufgaben wie Zeit- und Materialerfassung, Nacharbeiten von Papiernotizen, Doppelerfassung in mehreren Systemen u.v.m. abzunehmen, sodass sie entspannter mehr schaffen können. Daneben spielt das Teilen von wertvollem Wissen durch schnell und jederzeit verfügbare Informationen wie Handbücher, Checklisten, Zeichnungen u.v.m. eine große Rolle. Für den Einsatz von Videos und interaktiven 3D-Modellen ergeben sich durch digitale Service-Apps ganz neue Möglichkeiten.

Doch wie kommt man zu einer solchen digitalen Service-App? Welche Voraussetzung müssen gegeben sein und welche Schritte sind zu beachten? Das erfährst Du strukturiert in diesem Leitfaden.

1.

Finde Arbeitsprozesse mit großem Zeitspar-Potenzial

1.
Die größten Zeitfresser im Service sind Prozesse mit Papier und das Suchen nach Informationen. Service-Aufträge, Material- und Zeiterfassung erfolgen noch immer häufig durch Zettelwirtschaft. Das bedeutet viel Handarbeit, denn die Zettel müssen eingesammelt und geprüft, abgetippt und übertragen werden. Es entstehen zusätzliche Rückfragen, weil etwas unleserlich ist. Das führt zu Frust und Unzufriedenheit bei allen Beteiligten. Und Papierzettel können auch mal verschwinden…

Durch die digitale Erfassung, beispielsweise mit einer Smartphone- oder Tablet-App, werden gleich mehrere dieser Probleme gelöst. Vor allem entfällt die zeitraubende händische Nacharbeit. Die erfassten Daten stehen unmittelbar zur weiteren Verarbeitung bereit, synchronisiert über das Internet.

Im ersten Schritt solltest Du daher eine Liste aller Prozesse erstellen und bewerten, wie hoch das Zeitspar-Potenzial jedes einzelnen ist. Sortiere die Liste und fokussiere Dich zunächst auf die Top Drei.

2.

Lass dich von anderen inspirieren

2.
Es gibt inzwischen eine ganze Reihe von Tools, die der Zettelwirtschaft den Kampf angesagt haben. Neben Einzellösungen, beispielsweise für die Zeiterfassung, gibt es auch umfassende Systeme, die individuell an die Bedürfnisse in deinem Unternehmen angepasst werden und viele tägliche Aufgaben unter einem Dach vereinen.

Was auf den ersten Blick einfach aussieht, kann sich später als komplex entpuppen. Wenn es z.B. darum geht, Informationen aus dem ERP-System bereitzustellen oder erfasste Daten wie Bestelllisten an dieses zu übergeben. Es lohnt sich also, vor einer Entscheidung mit anderen Unternehmern zu sprechen und Erfahrungen auszutauschen.

Sprich mit anderen Anwendern und Entscheidern über Deine Prozesse und hole Dir zusätzlich die Beratung eines Experten ein. Das kann Dir hohe Folgekosten ersparen.

3.

Ermittle die konkrete Zeit- und Kostenersparnis

3.
Die Investition in Digitalisierung muss sich rechnen. Daher ist es wichtig, sich zu Beginn über die tatsächlichen Kosten der aktuell bestehenden Prozesse klar zu werden und ein Gefühl dafür zu bekommen, was es kostet, so weiter zu machen wie bisher und nichts zu ändern.

Im nächsten Schritt geht es dann darum herauszufinden, an welchen Stellen wie viel Zeit und Geld eingespart werden können. Die bisherigen Kosten und das Einsparpotenzial bilden schließlich die Grundlage für die Wirtschaftlichkeitsberechnung.

Aufgrund der erheblichen Vereinfachungen und dem Wegfall von lästiger Nacharbeit, rechnen sich Digitalisierungsprojekte im Service meist bereits nach 12 bis 18 Monaten.

Gehe also Deine Prozessliste durch und versuche, die eingesparte Zeit in Kosten umzurechnen. Denke dabei auch an “weiche” Kosten wie Mitarbeiterzufriedenheit, Nachwuchs bei Fachkräften und Deine Reputation beim Kunden.

4.

Konzipiere den neuen digitalen Prozess

4.
Jetzt geht es ans Träumen. Alle Ideen und Vorschläge der Mitarbeitenden gehören auf den Tisch und sollten systematisch erfasst und bewertet werden. Daraus ergibt sich ein Zukunftsszenario, das Schritt für Schritt auf eine realistische Zeitachse heruntergebrochen werden kann. Die Prozesse mit dem größten Einsparpotenzial sollten im Mittelpunkt stehen und als erstes besonders sorgfältig konzipiert werden.

Wenn Mitarbeitende in dieser Ideenphase aktiv mit eingebunden werden und miterleben, was sie verbessern können, steigt auch die Begeisterung und Motivation für den Einsatz der neuen smarten Apps. Der Faktor Mensch sollte in dieser Situation nicht unterschätzt werden.

Lass Dich bei der Konzeption und den Workshops mit Deinen Mitarbeitern unterstützen. So stellst Du sicher, dass an alles Wichtige gedacht wird und Du schnell greifbare Ergebnisse erhältst.

5.

Stelle die Einbindung in die IT-Systemlandschaft sicher

5.
Die beste digitale Service App bringt nichts, wenn sie eine Insellösung ist, die nicht oder nur schlecht mit anderen Systemen Daten austauschen kann. Daher gehören in dieser Phase auch die IT-Spezialisten mit an Bord, die für PPS- und ERP-Systeme verantwortlich sind und am Ende alle Daten zusammenführen müssen.

Auch hier hat sich ein Erfahrungsaustausch mit anderen Spezialisten bewährt, damit nichts übersehen wird. Der Schlüssel ist eine sorgfältige Dokumentation der Daten und Schnittstellen, die für den Prozess benötigt werden.

6.

Erfasse die Anforderungen systematisch und mache sie kalkulierbar

6.
Wenn alle Ideen gesammelt sind und klar ist, welche Informationen von wo nach wo gelangen müssen, folgt das große Sortieren und Strukturieren. Checklisten, Eingabemasken, Plausibilitätsprüfungen, Berichte, Übergaben und vieles mehr werden übersichtlich und vollständig gesammelt. Daraus entsteht Schritt für Schritt eine Prozesslandkarte und ein klares Vorgehen.

Bewährt hat es sich, möglichst früh und sorgfältig zu visualisieren, wie die Abläufe und Eingabemasken später tatsächlich aussehen werden. Das erleichtert es, die Abläufe zu testen und sorgt dafür, dass alle ein gemeinsames Verständnis vom gewünschten Endergebnis haben.

Halte den Prozess und alle Anforderungen an die IT-Systeme schriftlich und systematisch fest. Am besten verwendest Du dazu gängige Formate wie BPMN. Das erleichtert den Austausch mit Deinen IT-Spezialisten und reduziert Missverständnisse.

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Ermittle den Aufwand und lege ein Projektbudget fest

 
Im nächsten Schritt kann nun auch ermittelt werden, welcher Aufwand für die Umsetzung entstehen wird. Hier bietet es sich an, die Prozesse einzeln zu betrachten und zu kalkulieren. Das ermöglicht es, eine Reihenfolge für die Umsetzung festzulegen je nach Priorität und Bedeutung der Prozesse, und schließlich ein Projektbudget zu finden, das sich rechnet.

Definiere in diesem Schritt klar, welche Prozesse in die erste Version der digitalen Service App einfließen sollen und welche erst später folgen.

7.

Setze die neuen Prozesse in einer digitalen Service App um

7.
Nun ist es soweit. Die Umsetzung kann beginnen. Je nach Komplexität der Prozesse kannst Du dies mit einem App Baukasten selber machen oder einen erfahrenen Dienstleister damit beauftragen. Letzteres lohnt sich vor allem, wenn die erfassten Daten mittels diverser Schnittstellen in verschiedene Systeme gebracht werden müssen.

Für die Inbetriebnahme und Wartung sind neben Checklisten und Zeiterfassung meist auch weitere Informationen hilfreich, die als Videos, Handbücher oder 3D-Modelle in der App bereitgestellt werden können. Diese Inhalte gilt es nun zusammenzustellen und zu strukturieren, sodass später zeitaufwändiges Suchen von Dokumenten in der App entfällt.

Hole Dir in diesem Schritt die wichtigsten Unterstützer aus Deinem Unternehmen in das Projektteam. So entsteht viel Energie und Umsetzungsgeschwindigkeit.

8.

Arbeite schrittweise und überprüfe regelmäßig das Ergebnis

8.
Rom ist nicht an einem Tag erbaut worden. Genauso ist es mit Software-Projekten. Auch bei der Umsetzung der digitalen Service App sollte man sukzessive vorgehen und nach jedem Schritt prüfen, wie die App die Arbeit der Mitarbeitenden tatsächlich vereinfacht.

Das Einbeziehen der zukünftigen Nutzer spielt eine entscheidende Rolle. Nicht nur für die Qualität der App und das Erreichen der Projektziele, sondern auch für die Akzeptanz der neuen Lösung bei den Anwendern. Es heißt hier also testen, testen, testen…

Gehe bei der Umsetzung am besten agil vor, damit Du von den Anwendern frühzeitig und regelmäßig alle 14 Tage Feedback einholen kannst. Damit stellst Du sicher, dass wirklich das beste Ergebnis herauskommt.

9.

Sorge für regelmäßige Überprüfung und Aktualisierung

9.
Wenn die neue Service App fertig ist, kommt der große Tag des ersten Einsatzes. Ab jetzt kann viel Zeit und Geld eingespart werden, wenn alle Mitarbeitenden konsequent die neue Technik nutzen. Damit dies gelingt, ist eine sorgfältige Einweisung und Schulung notwendig, damit Mitarbeitende nicht überfordert und schnell frustriert. Ein enger Kontakt zum Entwicklerteam ist dabei hilfreich, weil kleine Anpassungen und Aktualisierungen zügig durchgeführt werden können.

Sobald etwas hakt, sollte sich jemand zügig um die Lösung kümmern. Eine Kultur der Aufgeschlossenheit und Anpassungsfähigkeit hilft dabei sehr. Schließlich geht es darum, den Menschen die Arbeit im Service leichter und angenehmer zu machen. Das sorgt nicht zuletzt für zufriedene Mitarbeitende.

Plane am besten auch nach der Einführung regelmäßige Feedback-Gespräche mit allen Beteiligten ein. So können Veränderungen und notwendige Anpassungen schnell erkannt und umgesetzt werden.

Nun hast Du einen Eindruck davon, wie man Arbeitsprozesse für Inbetriebnahme, Service und Wartung im Maschinenbau mittels digitalen Service Apps verbessern kann und wie man dabei sinnvollerweise vorgehen sollte. Wenn Du mehr dazu wissen möchtest oder Anregungen hast, stehen wir vom Digitalradar münsterLAND Dir jederzeit gerne zur Verfügung.

Bildnachweise:

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Autor Boris Feldmann

Wir helfen Unternehmen dabei, ihre Geschäftsprozesse mit individuellen Software-Lösungen konsequent zu digitalisieren und damit nicht nur Zeit, Geld und Nerven zu sparen, sondern vor allem ihren Vorsprung im weltweiten Wettbewerb zu sichern.


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