„Predictive Maintenance“ (abgekürzt PdM) – die „vorausschauende Wartung“ – ermöglicht es Deinem Unternehmen, Maschinen proaktiv zu warten und Anlageausfälle zu minimieren. PdM bietet neben der besseren Planbarkeit von Fertigungsprozessen und der Reduzierung von Anlagestörungen zusätzlich einer Vielzahl an weiteren Vorteilen.
Um dich und viele andere Unternehmen bei der Einführung von PdM zu unterstützen, wurde vom Innovationsforum PredictiveMaintenance@KMU dieser Leitfaden initiiert. Er stellt eine Vorgehensweise dar, die Dir als Orientierungshilfe dienen kann. Du bekommst dadurch ein eigenes Verständnis für PdM und baust gezielt einen Nutzen für Dein Unternehmen auf.
Den vollständigen Leitfaden und eine detaillierte Beschreibung aller Schritte ist bei der WFG Borken zu finden. Dieser Leitfaden stellt eine vereinfachte Form des ausführlichen Predictive Maintenance Leitfadens des Innovationsforums PredictiveMaintenance@KMU dar. In diesem erfährst Du Schritt für Schritt, ob PdM für Dein Unternehmen überhaupt in Frage kommt und wie Du PdM in Deinem Unternehmen in mehreren Schritten einführen kannst.
1.
DIE VORBEREITUNGSPHASE

Hier solltet ihr zuerst ein interdisziplinäres Team bilden und im zweiten Schritt dann zusammen die Ziele, Nutzen und Anforderungen an die PdM definieren.
Die Phase sollte von einem Projektteam in Deinem Unternehmen geleitet werden. Dieses Team ist auch für die Vorbereitung, die Organisation von Abstimmungen und die Zusammenstellung der Information verantwortlich.
1.1
Bilden eines interdisziplinären Teams
Euer Projektteam sollte interdisziplinär aufgestellt sein und aus Mitarbeitern verschiedener Bereiche wie Produktionstechnik, Informationstechnik, Entwicklung und Instandhaltung zusammengestellt werden.
Die Diversität des Teams bringt notwendiges Knowhow und vielfältige Skillsets verschiedener Fachbereiche zusammen. Dadurch kann die im nächsten Schritt genannte Zielsetzung und Nutzendefinition aus verschiedenen Blickwinkeln betrachtet werden.
1.2
Formulierung der Ziele, Nutzen und Anforderungen an PdM
Um dies definieren zu können, solltet ihr zunächst ein einheitliches Verständnis zum Thema Predictive Maintenance in eurem Unternehmen schaffen. Das ist zum Beispiel im Rahmen von unternehmensinternen Workshops möglich. Auch die grundlegenden Kenntnisse der eigenen Produktion aller Team-Teilnehmer sind ein Ausgangspunkt für die Durchführung von weiteren Schritten des PdM-Leitfadens.
2.
DIE ANALYSEPHASE

Mit Hilfe eines Excel Tools wird geprüft, inwieweit euer Unternehmen die Voraussetzungen für das Einsetzen von Predictive-Maintenance-Lösungen erfüllt. Diese Prüfung beinhaltet die Bestimmung des Reifegrades des Unternehmens (Schritt 2.1), die Identifikation der kritischen Maschinen und die Beurteilung der Zusammenhänge (Schritt 2.2).
Damit ihr einfach prüfen könnt, ob und inwieweit euer Unternehmen die Voraussetzungen für den Einsatz von Predictive-Maintenance-Lösungen erfüllt, gibt es den Werkzeugkasten inklusive Fragebogen unkompliziert als Excel-Datei zum Downloaden. Die Excel-Datei findet ihr HIER.
Als Ergebnis entstehen zwei Spinnendiagramme (s.u.). Das erste Diagramm liefert den Reifegrad eures Unternehmens sowie die Optimierungspotentiale. Im zweiten Diagramm wird eine Übersicht über die Bewertung, der in der Produktion vorhandenen Maschinen und deren Score, abgebildet.
2.1
Bestimmung des Reifegrades
Die Analyse wird mit Hilfe des Werkzeugkastens Industrie 4.0 durchgeführt, der speziell auf PdM angepasst wurde. Der Werkzeugkasten zeigt dabei die Entwicklungsstufen für verschiedene Anwendungsebenen von Industrie 4.0. Eine genaue Darstellung des Werkzeugkastens findet ihr HIER.
Der Werkzeugkasten dient als Basis dieses Leitfadens und sollte von euch in den jeweiligen Schritten ausgefüllt werden. Er ermöglicht euch, detaillierte Informationen über PdM in eurem Unternehmen zu sammeln.
2.2
Ermittlung kritischer Maschinen
Hierbei handelt es sich zunächst um die kritischen Geräte und Systeme, die für die Einführung von PdM am besten geeignet sind. Das sind häufig Maschinen mit hohen Reparaturkosten, die für die Produktion von entscheidender Bedeutung sind, oder Maschinen mit mehrfachen, ungeplanten Störungen oder Ausfällen.
Um kritische Maschinen in eurem Unternehmen zu identifizieren, könnt ihr den Werkzeugkasten inklusive Fragebogen als Excel-Datei nutzen und alle Informationen eintragen:
- Erstellt zuerst eine Übersicht über die vorhandenen Produktionsmaschinen im Tabellenblatt „Schritt_4_1_kr_Maschinen“, indem ihr die vorgegebenen Fragen zu den jeweiligen Maschinen beantwortet. Dabei entsteht eine Bewertung der Maschinen. Die kritischsten Maschinen bekommen damit die geringste Punktzahl.
- Im Tabellenblatt „zu Schritt_4_1_KM“ werden die bewerteten Maschinen nun nach steigendem Punktestand sortiert. Die Maschinen mit dem geringsten Punktestand werden automatisch nach oben in der Liste sortiert.
2.3
Technische Betrachtung der kritischen Maschinen
Dazu müsst ihr, insbesondere die Produktions- und Instandhaltungsabteilung, eine genauere Analyse der zuvor identifizierten kritischen Maschinen durchführen, um deren Probleme und Schwächen zu ermitteln. Dies geschieht durch Bearbeitung des Tabellenblattes „Schritt 4_2_KM_Detail“. Die Analyse kann basierend auf z.B. Störungs- und Servicedatenbanken durchgeführt werden.
Mit den identifizierten wichtigsten Maschinen könnt ihr nun konkrete Lösungsvorschläge entwerfen. Die Lösungsvorschläge stellen das Endergebnis dieser Phase dar, die später die Grundlage für Fehlervorhersagen bilden.
Zu jedem Lösungsvorschlag gehört als wichtiger Punkt die Ausstattung der Maschinen mit Sensoren. Diese Sensoren verwenden mindestens ein Signalmittel (Infrarot, Akustik, Korona-Erkennung, Schwingungsanalyse, Schallpegelmessung).
2.4
Wirtschaftliche Betrachtung der kritischen Maschinen
Um dies zu berechnen, werden in diesem Schritt nun die geschätzten Kosten für die Einführung von PdM berücksichtigt und dem Umsatzverlust gegenübergestellt. Dafür wird in der Excel-Datei des Werkzeugkastens der Schritt 4.3 „Wirtschaftliche Betrachtung“ bearbeitet.
3.
DIE ENTSCHEIDUNGSPHASE

Hier wird nun geprüft wie weit euer Unternehmen bereits in der Digitalisierung vorangeschritten ist und was es noch zu erledigen gilt, bevor PdM-Lösungen integriert werden können.
Außerdem wird eine Übersicht geschaffen, welche Problembereiche den größten Negativeffekt auf die Produktion haben. Durch eine Kombination der Ergebnisse erfolgt nun die Entscheidungsfindung. Diese Phase wird in dem Tabellenblatt „Schritt_5_Entscheidung“ dargestellt.
3.1
Entscheidungsfindung auf Basis von Reifegrad und kritischen Maschinen
Bevor euer Unternehmen eine entsprechende Software-Lösung implementiert, solltet ihr also überlegen, ob sich euer Maschinenbestand dafür eignet und die notwendige Datengrundlage gegeben ist. Aus diesem Grund solltet ihr folgende Fragestellungen für die Anwendung von PdM in eurem Unternehmen beantworten:
- Sind zwingend PdM-Lösungen notwendig?
- Eignet sich der Maschinenbestand für die Einführung?
- Ist die notwendige Datengrundlage gegeben?
- Wie viel Budget steht für PdM-Maßnahmen zur Verfügung?
- Welche Problembereiche müssen zuerst gelöst werden?
Ihr habt euch dafür entschieden, PdM in eurem Unternehmen einzuführen? Super, dann erwartet euch im nächsten Schritt die Einführung von PdM in eurem Unternehmen.
4.
EINFÜHRUNG VON PREDICTIVE MAINTENANCE (UNTERNEHMENSSPEZIFISCH)

Die Einführungsphase wird in folgenden Prozess unterteilt:
- Daten erfassen
- Daten übertragen
- Daten speichern
- Daten analysieren
- Optimierungsphase
4.1
Datenerfassen
Der „War-Zustand“ rekonstruiert die letzten drei bis fünf Jahre eures Unternehmens. Dadurch erhaltet ihr Erkenntnisse über die ausgewählten problematischen Maschinen und Anlagen. Ihr könnt euch dabei folgende Fragestellungen zur Hilfe nehmen:
- Welche bestehenden Daten können ausgewertet werden?
- Bestehen Störungs- und Servicedatenbänke der letzten drei bis fünf Jahre?
- Wie aufwendig ist die Vereinheitlichung dieser Daten?
- Bestehen Daten über den Zustand von Maschinenteilen, die nicht aufgrund von Verschleiß ausgetauscht werden mussten?
4.2
Daten übertragen
Um diese riesigen Datenmengen zu kontrollieren und zu übermitteln, werden Big-Data-Datenbanken für die Speicherung und das Internet of Things für die Netzwerkübertragung hinzugezogen.
4.3
Daten speichern
Ein universell anwendbarer Lösungsansatz für Datenspeicherung kann somit hier nicht dargelegt werden. Ihr könnt euch für euer Unternehmen jedoch folgende Fragestellungen zu Hilfe nehmen:
- Welche Anforderungen an das Datenbanksystem bestehen?
- Welche Art der Speicherung passt zu den neu verbauten Sensoren
- Können alle Daten, bestehende sowie neu erzeugte Daten, in dieser Datenbank gespeichert werden?
4.4
Daten analysieren
Anschließend werden relevante Daten über Algorithmen extrahiert und zu Regeln zusammengefasst. Durch diese Regeln lassen sich Vorhersagen formulieren und Wahrscheinlichkeiten für bestimmte Ereignisse errechnen.
5.
OPTIMIERUNGSPHASE

Bei der Optimierung geht es an dieser Stelle darum Erfahrungen zu sammeln, die Vorhersagegenauigkeit zu optimieren und die Entscheidungshilfe zu vereinfachen.
Sind eure Prototypen erfolgreich, kann nun die Einführung an weiteren Maschinen erfolgen. Der flächendeckenden Einführung von PdM in eurem Unternehmen stehen nun alle Türen offen.
Natürlich stehen wir Dir auch gerne persönlich zur Seite und helfen Dir bei weiteren Fragen und bei der Einführung von PdM. Melde dich doch gerne bei uns.
Wir freuen uns auf Deine Nachricht!
Weiter Informationen und Quellen:
WFG Borken (2020): „Einführung von Predictive Maintenance in kleinen und mittleren Unternehmen“
Bink & Zschech (2018): „Predictive Maintenance in der industriellen Praxis“
ExcelTool zum Download
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